Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
tat auch Herr Stürzli in keiner Weise, besonders da ich angesichts seines Reflexes in ernster, ja strenger Bescheidenheit die Wimper senkte. Im Gegenteil war er sehr leutselig zu mir und erkundigte sich:
»Was macht er denn, mein alter Freund, Ihr Onkel, der Schimmelpreester?«
»Verzeihung, Herr Generaldirektor«, erwiderte ich, »er ist nicht mein Onkel, aber mein Pate, was freilich fast mehr noch besagen will. Ich danke der Nachfrage, es geht meinem Paten sehr gut, nach allem, was ich weiß. Er genießt als Künstler des größten Ansehens im ganzen Rheinland und darüber hinaus.«
»Ja, ja, kurioser Kauz, kurioses Huhn«, sagte er. »Wirklich? Hat er Erfolg? Eh bien, desto besser. Kurioses Huhn. Wir waren hier damals ganz gut miteinander.«
»Ich brauche nicht zu sagen«, fuhr ich fort, »wie dankbar ich Professor Schimmelpreester dafür bin, daß er ein gutes Wort für mich bei Ihnen, Herr Generaldirektor, eingelegt hat.«
»Ja, das hat er. Was, Professor ist er auch? Wieso denn? Mais passons. Geschrieben hat er mir Ihretwegen, und ich habe ihn auch nicht abfallen lassen, weil wir damals hier so manchen Jux miteinander gehabt haben. Aber ich will Ihnen sagen, lieber Freund, es hat seine Schwierigkeiten. Was sollen wir mit Ihnen anfangen? Sie haben doch offenbar im Hoteldienst nicht die geringste Erfahrung, sind überhaupt noch nicht dafür angelernt –«
»Ohne Überhebung glaube ich voraussagen zu können«, war meine Erwiderung, »daß eine gewisse natürliche Anstelligkeit überraschend schnell für meine Ungelerntheit aufkommen wird.«
»Na«, meinte er neckisch, »Ihre Anstelligkeit, die bewährt sich wohl vorwiegend bei hübschen Frauen.«
Er sagte das meiner Einsicht nach aus folgenden drei Gründen. Erstens nimmt der Franzose – und ein solcher war Herr Stürzli ja längst – das Wort »hübsche Frau« überhaupt sehr gern in den Mund, zum eigenen Vergnügen und zu dem aller anderen. »Une jolie femme«, das ist dortzulande der populärste Scherz, mit dem man sicher ist, sofort den heiter-sympathischsten Anklang zu finden. Es ist das ungefähr, wie wenn man in München das Bier erwähnt. Dort braucht man nur dieses Wort auszusprechen, um allgemeine Aufgeräumtheit zu erzielen. – Dies zum ersten. Zweitens, und tiefer hinabgesehen, wollte Stürzli, indem er von »hübschen Frauen« sprach und über meine mutmaßliche Anstelligkeit bei ihnen witzelte, die Beklemmung seiner Instinkte bekämpfen, mich in gewissem Sinne loswerden und mich sozusagen nach der weiblichen Seite abschieben. Das verstand ich ganz gut. Drittens aber – man muß sagen: im Widerspruch zu diesem Bestreben – hatte er es darauf abgesehen, mich zum Lächeln zu bringen, was doch nur dazu führen konnte, daß er jene Beklemmung aufs neue erprobte. Offenbar war es ihm verworrenerweise eben darum zu tun. Das Lächeln, so bezwingend es war, mußte ich ihm gewähren und tat es mit den Worten:
»Sicherlich stehe ich auf diesem Gebiet, wie auf jedem anderen, weit hinter Ihnen, Herr Generaldirektor, zurück.«
Es war schade um diese Artigkeit, denn er hörte gar nicht darauf, sondern sah nur mein Lächeln an, das Gesicht wieder zur Grimasse des Widerwillens verzerrt. Er hatte es nicht anders gewollt, und mir blieb nichts übrig als, wie vorher, in strenger Sittsamkeit die Augen niederzuschlagen. Auch ließ er mich’s nach wie vor nicht entgelten.
»Das ist alles ganz gut, junger Mann«, sagte er, »aber die Frage ist, wie es um Ihre Vorkenntnisse steht. Sie schneien hier so nach Paris herein – sprechen Sie denn auch nur Französisch?«
Das war Wasser auf meine Mühle. In mir jauchzte es auf, denn mit dieser Frage nahm das Gespräch eine Wendung zu meinen Gunsten. Es ist hier der Ort, eine Anmerkung über meine Begabung überhaupt für allerlei Zungen der Völker einzuschalten, die stets enorm und geheimnisvoll war. Universell von Veranlagung und alle Möglichkeiten der Welt in mir hegend, brauchte ich eine fremde Sprache nicht eigentlich gelernt zu haben, um, wenn mir auch nur etwas davon angeflogen war, für kurze Zeit wenigstens, den Eindruck ihrer flüssigen Beherrschung vorzuspiegeln, und zwar unter so übertrieben echter Nachahmung des jeweiligen nationalen Sprachgebarens, daß es ans Possenhafte grenzte. Dieser nachspöttelnde Einschlag meiner Darbietung, die ihrer Glaubwürdigkeit nicht nur nicht gefährlich wurde, sondern sie sogar erhöhte,
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