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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nicht aus, dachte er.
    »Ich habe nie angenommen, daß Sie hier auf die Straßenbahn warten, sparen Sie sich Ihre Entschuldigungen! Mich interessiert nur, wie man dazu kommt, bei fremden Menschen einzusteigen.«
    Langsam taute der Verstockte auf. Dieser seltsame Kauz, der ihm da im Bademantel vergnügt flachsend gegenüber saß, wollte ihm sicher keine »Flöte anlegen«. Und er begann zu erzählen. Er habe mit Freunden zusammengesessen, und aus Jux hätten sie gewettet, wer wohl den Mut habe, irgendwo einzusteigen. Lukas widerlegte diese Darstellung mit dem Hinweis, es sei doch von Hunger die Rede gewesen. Sofort sank der Bursche in seine Dumpfheit zurück, worauf Lukas sich zum Kühlschrank begab und ihm Wurst, Käse und Fleischsalat auftischte.
    »Jetzt essen Sie erst mal was!«
    Rasch mußte Lukas sich wieder setzen. In gekrümmter Haltung war der physische Drang von innen erträglicher. Der Bursche futterte mit großem Appetit, und auf Lukas’ harmlos geschickte Fragen stellte sich alsbald heraus, daß er nicht zum erstenmal eingebrochen hatte. Nach Vertilgung des gesamten Fleischsalates nahm die Schilderung eine Wendung ins Sozialdramatische.
    »...drei Kinder war’n wir, und nur ein Zimmer! Meine Mutter hatte ‘ne feste Gehe mit einem vom Telefon. Der konnte nur abends. Da hat sie uns dann immer ‘rausgeschmissen. Da hab’ ich dann den Ede kennengelernt, und da haben wir Autos geknackt. Bis zu dem Chrysler mit der Alarmanlage... da kam dann die Einbuchte.«
    »Noch ein Bier?«
    Der Gast nickte. Lukas schenkte ihm ein und wurde pädagogisch. »Mann, das ist doch Unsinn! In ihrem Alter! Gut, jeder macht mal Dummheiten. Aber Sie können doch arbeiten...»
    »Haben Sie ‘ne Ahnung! Wenn man erst mal im Knast war, dann steht’s in den Papieren, dann nimmt ein’m keiner mehr.«
    Nach dieser Eröffnung gab Lukas die innere Mission auf, zumal sich das verschobene Bedürfnis wieder meldete. Er durchsuchte die Schubladen und nahm einen Schein vom Haushaltsgeld heraus. »Da! Und jetzt verschwinden Sie! Aber auf Nimmerwiedersehen, verstanden?«
    »Is’ geritzt!«
    Motorengeräusch, Klicken der Haustür. Beide stutzten. Jetzt saßen sie im selben Boot.
    »Ich mache Fliege«, flüsterte der Bursche. Lukas hielt ihn am Arm zurück.
    »Psst. Hier kommt niemand rein.«
    Er überlegte, ob er das Licht ausschalten sollte, doch schien es ihm mit Beleuchtung sicherer. Atemlos lauschten sie hinaus.
    »Stellen Sie alles da her! Gerda kann es morgen aufräumen. Gute Nacht, Herr Karl, Sie sind wunderbar gefahren!«
    »Gute Nacht, gnädige Frau!«
    Sei es die Freude, wieder zu Hause zu sein, oder simpler Durst — Alfredo, braungebrannt, im hellen Kamelhaarmantel, stand plötzlich in der Tür.
    »Ja, der Herr Dornberg«, sagte er freundlich, bis sein Blick auf den anderen fiel. Der kaute noch. Alfredo musterte ihn mit wachsender Mißbilligung. Schließlich siegte der gewerkschaftsgebändigte Wirtschaftsführer in ihm. »Wollen Sie mich nicht bekannt machen?«
    Lukas erkannte die unfreiwillige Komik der Situation und kämpfte mit dem Lachen. Wie sollte er Alfredo klarmachen, daß er einen Einbrecher verköstigt hatte? Ausgerechnet Alfredo! Stumpf trotzend stand der Bursche da und sah zu Boden.
    »Ich fürchte, das wird wenig Sinn haben
    Alfredo bekam eine steile Falte auf der Stirn, doch da trat Frau Müller-Passavant ein.
    »Guten Abend, Herr Dornberg! — Oh!«
    Dann Tobby, Bobby und Hobby, die Lukas stürmisch begrüßten und den Burschen freundlich wedelnd beschnupperten.
    »Raus mit euch«, rief der Guterholte, »Lilly, bitte...« Frau Müller-Passavant sah Lukas hinter dem Rücken ihres Mannes kopfschüttelnd an und brachte die Hunde hinaus. Alfredo gab sich einen Ruck.
    »Herr Dornberg, Sie sind mir eine Erklärung schuldig.« Frau Müller-Passavant kam zurück.
    »Um es kurz zu machen, der junge Mann ist hier eingestiegen, und ich habe ihn erwischt.«
    »Oh!« sagte Frau Müller-Passavant.
    Alfredos Blick wanderte über das Geschirr auf dem Tisch zu Lukas. Sein Atem wurde merklich kürzer.
    »Und da... da haben Sie es nicht für nötig befunden, die Funkstreife zu rufen,... der kaut ja noch!«
    »Wie soll Herr Dornberg denn ans Telefon, er muß ihn doch festhalten.«
    Alfredo deutete grimmig auf den Tisch: »Nennst du das festhalten?«
    »Das habe ich ihm hingestellt. Er hatte so Hunger«, sagte Lukas ruhig.
    »Ich wollt’ nur ‘n Spaß machen«, brummte der Bursche. Alfredo riß seinen Seidenschal herunter und

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