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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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unsern Baum an!«
    Er folgte dem elektrischen Stern von Bethlehem, begutachtete still den romantisierenden Fortschritt anhand grüner Lichtkabel und weißen Engelshaars aus Nylon. »Ganz uni! Schick, was?«
    Die Schwiegertochter war in die Küche geeilt, um nach dem Rechten zu sehen; Mutter gesellte sich zu ihnen. »Wir haben früher auch noch Äpfel an der Baum g’hängt.« Andrea zog, ob des alemannischen Akkusativs, eine Schnute.
    »Ja, ja, so ändern sich die Zeiten«, sagte die Mutter und blickte in die Ferne.
    »Ja, ja«, sagte auch Lukas.
    Andrea zog ihn schon wieder am Ärmel.
    »Jetzt müssen Sie anschauen, was ich alles gekriegt habe.« Lukas lächelte der Mutter zu. Sie fühlte, daß er sie verstand, und setzte sich in die Bergere.
    »Gehen Sie nur mit ihr!« sagte sie gütig.
    Der Mosaiktisch vor dem englischen Sofa ließ sich kaum noch ahnen: Kunstlaufschlittschuhe, Pullover, Schallplatten, Bücher, Tücher, ein moderner Schirm, Tonbandgerät, ein Sealmantel, Satz Flugkoffer und eine Menge noch ungeöffneter Pakete.
    »Können Sie mir das Ding da erklären?«
    Lukas schloß das Tonbandgerät an und zeigte ihr die Handhabung. Der umsichtige Alfredo hatte bereits ein Band bespielen lassen. Mit den Lieblings Schlagern der Verwöhnten. Andrea drückte auf die Taste, gedämpfter Jazz floß in den Raum.
    »Wo macht man denn lauter?«
    Da nahte Alfredo. »Aber Andrea, nicht jetzt. Ich habe ein Band mit Weihnachtsliedern bespielen lassen... hier. Du kannst sie ja nachher wieder löschen.«
    Und er schaltete von Dixieland auf »Stille Nacht«.
    Andrea grinste zu Lukas hinauf.
    »Schau’n Sie mal, den hab’ ich auch gekriegt.«
    An ihrer eigensinnigen Hand glänzte ein großer Wappenring, auf welchem sich getuchte Helmdecke und Hilfskleinod redlich mühten, die Müllersche Linie zu verwischen. Lukas nickte weihnachtlich-karg.
    »Ihr Kopftuch ist übrigens auch sehr schick. Danke!« Gerda meldete die Vollendung des Festessens. Man strebte ins kerzenerhellte Louis-seize. Oben am Tisch thronte der christliche Gönner, rechts neben ihm an der Breitseite die Mutter und Lukas, dem alten Vater und Andrea gegenüber, und unten die Hausherrin.
    Das Tonband nebenan spulte » Vom Himmel hoch«, man faltete die Hände, Andrea mußte beten. Doch aus dem Lob des Herrn wurde zu fünfzig Prozent ein Lob des teuren Lausanner Internats — Andrea betete französisch. Gesenkten Hauptes blinzelte Lukas zur Dame des Hauses, und es schien, als lachte sie in sich hinein.
    »Bravo!« lobte Alfredo nach dem gallisch genäselten »Amen«, indes seine Mutter weiterbetete, still für sich und auf schwäbisch.
    »Ja, meinst du denn, daß der liebe Gott dich auch verstanden hat?« fragte der alte Vater.
    »Klar!«
    Dann reichte man sich — weil doch Weihnachten war — die Hände. Lukas ergriff die schmale Linke seiner Gastgeberin, und wieder strömte es wärmend in seinen Arm, und er wurde gewahr, daß auch sie es fühlte.
    Gerda servierte nach altem Heiligabend-Küchenbrauch mit trutziger Miene und verweinten Augen.
    »O du fröhliche... «, spulte das Tonband.
    Alfredo, vom reichlichen Geben gleichermaßen beglückt wie erschöpft, strahlte mit äußerster Nächstenliebe.«Weihnachten ist mein Fest! Da organisiere ich alles!« Es gab Hummer, Truthahn mit Blaukraut und Kastanien und Plumpudding als Nachtisch. Lukas genoß während des kulinarischen Hochamts die Kontraste. Hier der stumm gabelnde Vater, die schwere Golduhr zwischen der reinlichen Manschette und der verschafften, gichtigen Hand; da die Mutter mit dem lauten Weihnachts-Clip auf ihrem Konfektionskostüm, dazwischen, im Gesichtsschnitt der Scharf ondulierten nachschlagend, die wohlsituierte Güte im Smoking; Andrea ganz der Papa — und still ausgleichend die Dame des Hauses.
    Der alte Vater zuzelte festlich.
    »Adeste fideles !«
    »Nachher darf ich aber das andere Band spielen, Daddy, ja?«
    »Mal sehen. — Ach, das hätte ich beinahe vergessen!« Er stand auf und holte eine Pillenröhre aus der Schublade des Abstelltischchens. Gespannt verfolgte seine Mutter den Vorgang.
    »Ja, was ist denn das, Alfredle?«
    »Mutter!« entfuhr es Alfredo mit gebändigtem Vorwurf. Die Mutter wandte sich an Lukas: »Des mag er gar nicht, wenn ich ihn so nenn’!« Und wieder zu ihrem Sohn gewandt: »Aber für mich bisch und bleibsch halt mei’ Alfredle!«
    »Sprich doch nicht so Dialekt, Großmama!« rügte das Internatskind pikiert.
    »Du bist still!« mahnte ihre Mutter.
    Alfredo nahm

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