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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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still!«
    Sie stellte die Tasse neben ihn und zog sich in die Fensternische zurück.
    »Entschuldigen Sie nochmal: Ist heute der Fünfte?«
    »Ja, warum?«
    »Zu dumm! Alfredo wollte anrufen. Und ich bin nicht zu Hause! Seit Jahren warte ich immer auf ihn, jetzt habe ich eben mal zu tun.«
    »Ja, arme Graphiker schikanieren...«, brummte Lukas. »Wo ist er denn gerade?«
    »In Neu-Delhi!«
    »Daddy in Neu-Delhi, Kind im Internat, Mutter im Nachtdienst... Donnerwetter ist das eine moderne Ehe!«
    »Fangen Sie jetzt endlich an!«
    Lukas machte sich an die Arbeit, ohne Ärger über ihre Kritik, ohne Müdigkeit. Er drehte sich noch einmal um. In Hosen und Pullover saß sie da, hatte die Beine hochgelegt und las. Und er genoß es, sie bei sich zu haben. Er mußte an den Satz Emersons denken: Sie zwang ihn zu dem, was er konnte. Das hatte er noch nicht erlebt! Zur Farbabstimmung kam sie herüber. Und wieder diskutierten sie, sachlich und produktiv. Um zwei Uhr war das Plakat fertig. Die Mühe hatte sich gelohnt. Er steckte es in die Pappröhre, und sie fuhren zum Telegrafenamt. Ihre Zugauskunft stimmte, es war noch nicht zu spät.
    »Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache«, sagte sie auf der Heimfahrt.
    »Na, wenigstens einer.«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie so angetrieben habe in den letzten Tagen, aber... ich mußte. Ich wußte, daß Sie es noch besser könnten...«
    »Sie hatten vollkommen recht.« Und er legte seine Hand auf die ihre.

    »Sind Sie denn immer noch nicht müde?«fragte er, als sie auf dem Sofa saßen und Kognak tranken. Sie schüttelte den Kopf.
    »Eines weiß ich jetzt genau: Ich könnte nie selbst etwas produzieren, eine Arbeit nicht nur anfangen, sondern auch zu Ende führen. Aber dabei sein, mithelfen, sehen, wie es entsteht und doch auch ein bißchen daran schuld sein, das...das... Sie wissen gar nicht, was das für mich bedeutet.«
    »Sie sind eine echte Frau!«
    Sie hielt seinen Blick. Heiter anfangs, dann ernster, immer ernster. Ein Gefühl unendlicher Kraft und Zärtlichkeit überkam ihn mit einer Gleichzeitigkeit, die er nie zuvor gefühlt hatte. Sie lächelte in seinem Arm.
    »Ich liebe deine Hände. Ich habe mir immer gewünscht, daß du mich anfaßt.«
    Und stumm, in olympischer Ruhe versanken sie, ohne Scham, ohne Gier, aus dem Innersten überrollt, als sei es nie anders gewesen. Nur die Intensität, mit der sie sich lösten, verriet, wie lange sie aufeinander hatten warten müssen. Verspielt mit der Zungenspitze gegen seine Vorderzähne tippend, schob sie seinen Mund beiseite: »Das hätte ich nie von uns gedacht!«
    Lukas sah sich am Ziel. Die Frau war gefunden, die Frau, die er auch tags ertrug. Anhand seines Tagebuchs versuchte er — in seiner Vorstellung bereits mit Lilly verheiratet - von dieser Wunschwarte aus, seine Vergangenheit als chronologischen Weg zu ihr zu rekonstruieren. Und es gelang ihm, sich zu beweisen, daß mit Lilly und ihm das gemeint sei, was er sich beweisen wollte. Die entscheidende Wende, das Einschwenken auf den Weg zu sich selbst sozusagen, fand er in den Notizen über das Feriendorado: die Hymne an die reife Frau.
    Im Rückwärtsblättern flogen die Stationen vorbei, vergessen und doch vertraut, wie auf einer Reise in die Heimat nach Jahren in der Fremde.
    Marie-Luise, Sylvia, Renate — sie alle fanden ihren Niederschlag in dem Satz:

    Mehr Luxus mit der Zeit!
    Das Gesündeste im Leben
    sind die Umwege.

    Und die Grundstimmung seines Wesens wurde sichtbar.

    Es geht um die fröhliche Naivität,
    die es ermöglicht, trotz Wissen
    glücklich zu sein.

    Er blätterte wieder zurück.

    21. Juli: Manchmal kann ich Huberts Geschwätz nicht ertragen. Alleswisser! Und nichts wird zu Ende diskutiert. Hat er recht? Kein Thema ist je zu Ende, sondern muß immer wieder in kleinen Mengen verarbeitet werden. Die abschließende Diskussion endet in der Regel, im Grundsatz — Totgeburt, aktenreif.

    9. September: Worin liegt unsere Freiheit? Im instinktiven Aufspüren des Zeitpunkts, da es gilt, die latent schwebenden Chancen zu nutzen. (Und dazu ist es nicht gut, daß der Mensch allein sei.)

    24. Oktober: Wann sind im Leben die Höhepunkte, wie in Büchern oder Theaterstücken? Die Darstellung frisiert zugunsten der Dramaturgie. Im Leben sind die Höhepunkte nicht, sie waren, als man sie gar nicht bemerkte.

    Kernproblem blieb jedoch sein unverschuldeter Einbruch
    in die fremde Lebensgemeinschaft. Denn er drängte zur
    Konsequenz.

    12. Februar: Zerstöre ich eine

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