Bekentnisse eines möblierten Herren
seine Pillen, vom alten Vater mit Argwohn beobachtet.
»Für was... für was ist das jetzt?«
»Für den Magen. Bißchen nervös, weiß du... nicht weiter schlimm, muß nur Vorbeugen. Was macht denn deine Galle?«
»Ja, ja«, sagte der alte Mann und aß ruhig weiter.
» Es ist ein Ros’ entsprungen .«
Wie oft bei Familienfeiern, drehte sich alles um den fremden Gast. Alfredo wandte sich an Lukas.
»Mein Vater war letztes Jahr sehr krank, müssen Sie wissen. Ich habe ihn gleich zum Spezialisten geschickt — Professor Sackmann, eine Kapazität — und anschließend für zwei Monate nach Ischia. — Hat euch doch gut getan, Mutter? Wo wollt ihr denn diesen Sommer hin? Mal nach Teneriffa?«
Mutter legte ihm die Hand auf den Arm.
»Ich weiß, daß du’s gut mit uns meinst, Alfredle, aber das ist alles so weit, und dann das Essen und die Sprach’... Mir ginget halt am liebsten mal wieder in der Schwarzwald, gell, Vadder?«
»Soso«, sagte der Alte.
Andrea setzte sich endlich gerade: »Ich will nach Teneriffa, Daddy! Und nach Sydney! Biene ist gerade unten mit ihren Eltern. Die feiern Weihnachten im Tropenhelm, schicke Sache!«
»Iß jetzt endlich!«
Der Alte war fertig, prüfte hinter vorgehaltener Hand den Sitz seiner Zahnprothese und schaltete sich schnalzend in die Unterhaltung ein ; zu Lukas: »Früher bin ich viel ‘rumgekommen, wie’s noch die Salonzüge gab...«
»Der Vadder war nämlich bei der Bahn als...«
»Nimm doch noch, Mutter!« drängte Alfredo.
Der Alte holte tief Luft und fuhr dann fort: »Wir sind einmal von Zoppot bis St. Gilgen durchgefahren. Mit dem Fürsten...« Er holte weit mit dem Arm aus, weit in die Vergangenheit, »...ich komm’ im Moment nicht auf den Namen... ich werd’ Ihnen nachher ein Bild zeigen, Herr... War ein nobler Mann, der Fürst. Der hat mir immer...»
»Möchtest du jetzt eine Zigarre, Vater?«
Alfredo lief ins Wohnzimmer.
»O Tannenbaum «
»Ich werd’ Ihnen nachher ein Bild zeigen«, wiederholte der alte Mann.
Alfredo kehrte mit der Kiste zurück. Der Vater nahm eine Zigarre, besah sie kritisch und hielt sie unter die Nase. »Genau so eine, nur ein bißle länger, hat mir der Fürst damals...»
»Komm Vater, ich schneide sie dir ab!«
Lukas mußte sich abwenden und tauchte geradewegs in den Blick seiner Gastgeberin. Und für einen Augenblick vergaßen sie, daß Weihnachten war — aus Nächstenliebe. Andrea entging nichts.
»Was schauen Sie denn Mutti so an?«
»Ich habe eben deinen Großvater angeschaut, und jetzt schau’ ich deine Mutti an, weil sie meine Tischdame ist. Und wenn du endlich aufgegessen hast, schau’ ich auch dich wieder an.«
Alfredo lachte. Aber die Tischdame schaute nicht mehr.
»Ihr Kinderlein kommet «
»Ich werd’ Ihnen nachher ein Bild zeigen…«
Der gute Vater machte seine Worte wahr. Als später Andrea endlich im Bett lag und sie bei Sekt um das flackernde Kaminfeuer saßen, brachte er eine Illustrierte, die mit dem wesentlichen Bild nach außen zusammengelegt war.
»Das ist der Fürst, von dem ich Ihnen erzählt hab’.«
Der Vater deutete auf eine militante Figur von versteinertem Hochmut.
»Onkel Karl-Eugen!« entfuhr es Lukas.
Das Atmen im Raum wurde eingestellt. Sein Ansehen schnellte in die Höhe, wie eine Stahlaktie bei Rüstungsaufträgen. Er nahm dem Vater das Heft aus der Hand. Da standen sie, im spießigen Pomp der Hocharistokratie. Onkel Karl-Eugen, Tante Friederike, ja sogar Hoheit, fürs Familienalbum um ein Brautpaar gruppiert. Lukas las den Untertitel: »...Vermählung des Grafen Knut-Eitel Krafft zu Möckendorff mit Prinzessin Marie-Luise...»Ja, sie war es! Durch den Brautschleier hatte er sie nicht sofort erkannt. Und mit Myrtenkranz!
Honni soit qui mal y pense!
»Sie kennen den Fürsten?« fragte der alte Vater.
Lukas nickte. Die Gastgeberin lächelte ihn an.
»Haben Sie dort auch gewohnt?«
»Nur vorübergehend!«
Den Silvesterabend hatte Lukas bei Peter und Ines verbracht. Ein etwas mühsamer Abend, was auch an ihm seihst gelegen haben mochte, wie er sich eingestand. Müller-Passavants waren schon am zweiten Weihnachtsfeiertag mit Andrea, Tobby, Bobby und Hobby sowie Herrn Karl, dem Chauffeur, zum Wintersport gefahren. Anschließend wollten sie Andrea in Lausanne absetzen und um Dreikönig wieder zurück sein. Und Lukas saß zu Hause im alten Trott. Zwar hielt er sich, trotz verebbter Vertrautheit mit Frauke, weiterhin wacker in der Zigarettenfabrik ihres Bruders — sein Layout
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