Bel Ami (German Edition)
Alte ... da ist ein weißes Haar ... Ach, du nimmst dir jetzt alte Weiber? ... Du läßt dich dafür bezahlen? Zahlen sie viel? Ha! Du bist auf alte Weiber scharf! ... Dann brauchst du mich nicht mehr ... Behalte dir die andere!«
Sie stand auf und griff nach ihrer Bluse, die auf einem Stuhl herumlag, und zog sie hastig an.
Er wollte sie zurückhalten; er fühlte sich beschämt und stammelte:
»Aber nein ... Clo ... du bist dumm ... ich weiß nicht, woher es kommt ... höre mal ... bleibe doch hier ... komm ... geh nicht fort!«
Sie wiederholte:
»Behalte dein altes Weib ... behalte sie ... laß dir aus ihren Haaren einen Ring machen ... aus den weißen Haaren ... du hast genug davon da ...«
Mit jähen und schroffen Bewegungen hatte sie sich schnell angezogen, den Hut aufgesetzt und ihren Schleier umgebunden. Er wollte sie festhalten; mit einem heftigen Schwung gab sie ihm eine Ohrfeige, und während er betört dastand, öffnete sie die Tür und eilte davon.
Sobald er allein, ergriff ihn eine rasende Wut gegen die alte Schachtel, die Mama Walter. Oh, jetzt würde er sie fühlen lassen, und zwar gründlich. Er kühlte sich seine rote Wange mit Wasser. Dann ging er auch hinaus und überlegte sich seine Rache. Dieses Mal würde er es ihr nicht verzeihen. Nie im Leben!
Er ging langsam den Boulevard herunter und blieb vor einem Juwelierladen stehen. Er betrachtete im Schaufenster einen Chronometer, den er sich schon lange wünschte. Er kostete 1800 Francs.
Plötzlich begann sein Herz vor Freude zu klopfen und er dachte: »Wenn ich die 70000 Francs verdiene, kann ich es bezahlen.« Und er begann zu träumen, was er alles mit seinen 70000 Francs tun könnte.
Zunächst würde er sich zum Abgeordneten wählen lassen, dann würde er sich den Chronometer kaufen, er würde an der Börse spielen und dann ... und dann noch ... Er wollte nicht auf die Redaktion gehen, er zog es vor, mit Madeleine die Sache zu besprechen, bevor er Walter wieder sah und seinen Artikel schrieb, und so schlug er den Weg nach Hause ein.
Als er die Rue Drouot erreichte, blieb er plötzlich stehen. Er hatte vergessen, sich nach dem Befinden des Grafen de Vaudrec zu erkundigen; er wohnte in der Chaussee d'Autin. Er kehrte langsam um und dachte in glücklicher Träumerei an tausend angenehme und schöne Sachen, an den kommenden Reichtum, an den Trottel Laroche und an die alte Hexe, die Frau Direktor. Übrigens machte ihm Clotildes Zorn weiter keine Sorge, denn er wußte wohl, daß sie ihm bald verzeihen würde.
Im Hause, wo Graf de Vaudrec wohnte, fragte er den Portier:
»Wie geht es dem Grafen? Ich hörte, daß er die letzten Tage krank war?«
»Dem Herrn Grafen geht es sehr schlecht, mein Herr«, bekam er zur Antwort. »Man glaubt, daß er die Nacht nicht überleben wird. Die Gicht ist ihm bis ans Herz gestiegen.«
Du Roy war so betroffen, daß er nicht wußte, was er anfangen sollte! Vaudrec am Sterben! Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf, die er sich selbst nicht zu gestehen wagte.
Er murmelte:
»Danke ... ich werde wiederkommen.«
Aber er verstand gar nicht, was er sagte. Dann nahm er eine Droschke und fuhr nach Hause.
Seine Frau war da. Er stürzte in ihr Zimmer und sagte:
»Weißt du das nicht, Vaudrec liegt im Sterben!«
Sie hob ihre Augen vom Brief, den sie gelesen hatte und stammelte:
»Was sagst du? ... Du sagst? ... Du sagst? ...«
»Ich sage, daß der Vaudrec stirbt. Die Gicht ist ihm bis ans Herz gestiegen.«
Dann fügte er hinzu:
»Was denkst du zu tun?«
Sie stand auf, leichenblaß, vor Erregung; über ihre Wangen lief ein nervöses Zittern. Dann fing sie an zu schluchzen und barg ihr Gesicht in die Hände. Sie stand da, weinend, das Herz zerrissen vor Verzweiflung.
»Ich ... ich gehe«, sagte sie endlich. »Kümmere dich nicht um mich ... ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde ... warte nicht auf mich ...«
»Gut,« sagte er, »gehe!«
Sie drückten sich die Hände, und sie ging so schnell, daß sie vergaß, ihre Handschuhe mitzunehmen.
Nach dem Essen setzte sich Georges hin und schrieb einen Artikel. Er schrieb ihn genau so, wie der Minister es haben wollte, und deutete an, daß die Expedition nach Marokko nicht stattfinden würde. Dann brachte er das Manuskript auf die Redaktion, plauderte da mit seinem Chef und mit leichtem, freudigem Herzen ging er fort. Weswegen ihm so zumute war, konnte er nicht ergründen. Seine Frau war noch nicht zurück. Er legte sich zu Bett und schlief ein.
Es war
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