Bel Ami (German Edition)
imstande bin, jemanden umzubringen. Sie müssen mir das verzeihen, Suzanne, bitte!«
Er schwieg, und die Fische, die kein Futter mehr bekamen, standen unbeweglich in einer Reihe wie englische Soldaten und blickten die gesenkten Gesichter der beiden Menschen an, die sich nicht mehr um sie kümmerten.
Das junge Mädchen flüsterte halb traurig, halb lustig:
»Es ist so schade, daß Sie verheiratet sind. Aber was wollen Sie denn tun? Man kann dem nicht abhelfen. Es ist erledigt.«
Er wandte sich plötzlich zu ihr um und sagte ihr ganz nahe ins Gesicht:
»Und wenn ich frei wäre, würden Sie mich dann heiraten?«
Sie antwortete und ihre Stimme klang dabei ganz aufrichtig :
»Ja, Bel-Ami, ich würde Sie heiraten, denn Sie gefallen mir mehr als alle anderen.«
Er stand auf und stammelte:
»Ich danke Ihnen ... danke ... ich flehe Sie an, geben Sie niemandem Ihr Jawort. Warten Sie eine Weile. Ich bitte Sie darum. Wollen Sie mir das versprechen?«
Sie murmelte verlegen, ohne zu begreifen, was er wollte:
»Ich verspreche es Ihnen.«
Du Roy warf ein großes Stück Brot, das er noch in seinen Händen hielt, ins Wasser und eilte hinaus, ohne sich zu verabschieden, als hätte er den Kopf verloren.
Alle Fische stürzten sich gierig auf den Brotklumpen, der herumschwamm, ohne von den Fingern geknetet zu sein, und sie zerrten daran mit ihren gefräßigen Mäulern. Sie schleppten es an die andere Seite des Bassins, sprangen und wirbelten um ihn herum und bildeten eine Art lebendiger Blume, die kopfüber ins Wasser gefallen war.
Suzanne stand unruhig und erstaunt auf und ging langsam zurück. Der Journalist war fort.
Er ging in voller Ruhe nach Hause und fragte Madeleine, die gerade einen Brief schrieb :
»Willst du Freitags bei Walter essen? Ich gehe jedenfalls hin.«
Sie überlegte:
»Nein, ich fühle mich nicht ganz wohl. Ich bleibe lieber zu Hause.«
»Tue, wie du willst, niemand zwingt dich.«
Dann nahm er seinen Hut und ging sofort wieder weg.
Seit langem spürte er ihr nach, überwachte und beobachtete sie, so daß er genau wußte, mit wem sie verkehrte und was sie trieb. Die Stunde, auf die er wartete, war endlich gekommen. Der Ton, mit dem sie »Ich bleibe lieber zu Hause« antwortete, hatte ihn nicht getäuscht.
Die folgenden Tage benahm er sich sehr nett und liebenswürdig ihr gegenüber. Er schien sogar heiter zu sein, was er jetzt im allgemeinen nicht mehr war, so daß sie einmal zu ihm sagte:
»Siehst du, jetzt wirst du wieder nett und lieb.«
Am Freitag zog er sich frühzeitig an, um, wie er behauptete, noch ein paar Besorgungen zu erledigen, noch bevor er zum Chef ging. Dann verließ er um 6 Uhr seine Wohnung, gab seiner Frau einen Kuß und suchte sich eine Droschke auf der Place Notre Dame de Lorette.
Er sagte dem Kutscher:
»Fahren Sie nach der Rue Fontaine und halten Sie gegenüber der Nummer 17. Sie bleiben da stehen, bis ich Ihnen zurufe, weiterzufahren. Dann bringen Sie mich nach dem Restaurant Coq-Faisan, rue Lafayette.« Der Wagen setzte sich langsam trabend in Bewegung und Du Roy zog die Vorhänge herunter. Sobald er gegenüber seiner Wohnung angelangt war, ließ er keinen Blick mehr von seiner Haustür. Nachdem er zehn Minuten gewartet hatte, sah er, wie Madeleine das Haus verließ und in der Richtung nach den äußeren Boulevards ging. Sobald er sie aus dem Auge verloren hatte, steckte er seinen Kopf durch die Fenster und rief: »Weiterfahren!«
Die Droschke fuhr weiter und setzte ihn vor dem Coq-Faisan ab, einem in jener Stadtgegend bekannten bürgerlichen Restaurant. Georges betrat den großen Speisesaal und aß in aller Ruhe und sah dabei von Zeit zu Zeit auf seine Uhr. Er trank seinen Kaffee aus, nahm zwei Glas Kognak, rauchte langsam eine gute Zigarre und verließ halb acht das Lokal; er hielt eine vorbeifahrende leere Droschke an und ließ sich nach der Rue La Rochefoucauld fahren.
Ohne den Concierge was zu fragen, stieg er in dem angegebenen Hause drei Treppen hinauf; ein Dienstmädchen öffnete ihm die Tür und er fragte:
»Ist Herr Guibert de Lorme zu Hause?«
»Jawohl, mein Herr.«
Er wurde in einen Salon geführt, wo er eine kurze Zeit wartete, dann erschien ein hochgewachsener Herr mit Ordensband in militärischer Haltung und mit grauen Haaren, obwohl er noch ziemlich jung war.
Georges begrüßte ihn dann und sagte:
»Wie ich vorausgesehen habe, Herr Polizeikommissar, ist meine Frau mit ihrem Geliebten in einer möblierten Wohnung, die sie sich in der Rue des
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