Bel Ami (German Edition)
Brotstücke. Auf dem Anrichtetisch standen zwei Teller mit leeren Austernschalen.
Im Schlafzimmer war alles durcheinander geworfen, als wenn ein Kampf stattgefunden hätte. Ein Damenkleid lag über einer Stuhllehne. Ein paar männliche Unterhosen hingen auf dem Arm eines Lehnstuhls, ein Bein rechts, eins links. Vier Stiefel, zwei große und zwei kleine, lagert auf der Seite neben dem Bett herum. Es war ein Schlafzimmer einer möblierten Wohnung mit ganz gewöhnlichen Möbeln; ein widriger und fader Geruch eines Hotelzimmers schwebte in der Luft, ein Geruch, der aus den Gardinen, aus den Matratzen, aus den Wänden und aus den Polstermöbeln zu dringen schien; ein Menschendunst aller derer, die in dieser öffentlichen Schlafstelle geschlafen oder gewohnt hatten, sei es nur einen Tag oder ein halbes Jahr, und die von ihrem eigenen Geruch etwas zurückgelassen hatten; und diese Ausdünstungen erzeugten, gemischt mit denen ihrer Vorgänger, letzten Endes einen undefinierbaren süßlichen und unausstehlichen Gestank, der in allen solchen Schlupfwinkeln derselbe ist.
Ein Teller mit Kuchen, eine Flasche Chartreuse und zwei noch halbvolle Gläschen standen auf dem Kamin. Eine bronzene Standuhr war mit einem Herrenhut verdeckt.
Der Kommissar drehte sich schnell um und sah Madeleine scharf in die Augen:
»Sie sind Madame Claire Madeleine Du Roy, die legitime Gattin des hier anwesenden Schriftstellers Herrn Prosper Georges Du Roy.«
Sie sprach mit erstickter Stimme:
»Jawohl.«
»Was treiben Sie hier?«
Sie antwortete nicht.
Der Beamte fuhr fort:
»Was treiben Sie hier? Ich finde Sie außerhalb Ihres Hauses, fast entkleidet, in einer möblierten Wohnung. Warum sind Sie hergekommen?«
Er wartete einige Augenblicke. Sie schwieg noch immer.
Dann fuhr er fort:
»Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, Madame, werde ich gezwungen sein, es festzustellen.«
Man sah im Bett die Gestalt eines menschlichen Körpers, die sich unter der Bettdecke verborgen hielt. Der Kommissar trat heran und rief:
»Mein Herr.«
Der Mann im Bett rührte sich nicht. Er schien den Anwesenden den Rücken zu drehen, den Kopf unterm Kissen vergraben. Der Offizier berührte die Decke, wo die Schulter zu sein schien, und wiederholte:
»Mein Herr, ich bitte Sie, mich nicht zu zwingen, zu Tätlichkeiten überzugehen.«
Doch der eingehüllte Körper blieb genau so unbeweglich, als wenn er tot wäre.
Du Roy trat hastig ans Bett, zog die Decke zurück und riß das Kopfkissen fort; das totenblasse Gesicht Laroche-Mathieus wurde sichtbar.
Er neigte sich über ihn und sagte mit zusammengepreßten Zähnen, zitternd vor Begierde, ihn an der Kehle zu packen und zu erdrosseln:
»Haben Sie wenigstens den Mut, Ihre Gemeinheit einzugestehen.«
Der Beamte fragte noch einmal:
»Wer sind Sie?«
Der Liebhaber schien den Kopf verloren zu haben und gab keine Antwort.
Der Kommissar fuhr fort:
»Ich bin der Polizeikommissar und fordere Sie auf, Ihren Namen zu nennen!«
Georges schrie zitternd vor tierischer Wut:
»So antworten Sie doch, Sie Memme, oder ich nenne Ihren Namen.«
Der Liegende stammelte:
»Herr Kommissar, Sie dürfen mich nicht beschimpfen lassen von diesem Kerl. Habe ich mit Ihnen zu tun? Soll ich Ihnen oder ihm antworten?«
Er schien keinen Speichel mehr im Munde zu haben.
Der Offizier antwortete:
»Mir, mein Herr, mir allein. Ich frage Sie, wer sind Sie?«
Der andere schwieg. Er hielt die Bettdecke fest gegen seinen Hals gedrückt und rollte seine verstörten Augen. Sein hochgedrehter kleiner Schnurrbart schien ganz schwarz im Vergleich zu seinem bleichen Gesicht.
Der Kommissar fuhr fort:
»Sie wollen nicht antworten, dann bin ich gezwungen, Sie zu verhaften. Jedenfalls stehen Sie auf. Ich werde Sie befragen, wenn Sie angezogen sind.«
Der Körper bewegte sich im Bett und der Kopf murmelte:
»Ich kann doch nicht vor Ihnen.«
Der Beamte fragte:
»Wieso?«
Der andere stammelte:
»Weil ... Weil ich ... weil ich ganz nackt bin.«
Du Roy grinste, hob ein Hemd auf, das auf der Diele herumlag, warf es auf das Bett und schrie:
»Los ... stehen Sie auf ... Sie haben sich vor meiner Frau ausgezogen, Sie können sich dann vor mir anziehen.«
Dann drehte er ihm den Rücken und ging zum Kamin.
Madeleine hatte ihre Kaltblütigkeit wiedergewonnen. Sie sah ein, daß nichts mehr zu retten war und war bereit, alles zu wagen. Ihre Augen blitzten höhnisch und übermütig, sie rollte in den Händen ein Stück Papier zusammen, steckte es am Kamin an
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