Bel Ami (German Edition)
Gedanken und den Plan des Artikels, wie sie ihn zu schreiben beabsichtigte.
Er hörte aufmerksam zu und machte sich einige Notizen. Als sie fertig war, erhob er einige Einwendungen; er faßte die Frage anders auf, erweiterte sie und entwickelte seinerseits einen Plan, nicht bloß zu dem Artikel, sondern zu einem Feldzug gegen das jetzige Ministerium. Dieser Angriff sollte den Kampf eröffnen. Seine Frau hörte so aufmerksam und gespannt zu, daß sie sogar zu rauchen aufhörte; sie verfolgte Georges' Gedankengang, ihr eröffneten sich weite Perspektiven und hin und wieder murmelte sie:
»Ja ... richtig ... sehr gut ... Tadellos ... sehr stark.«
Als er zu sprechen aufhörte, sagte sie:
»Nun wollen wir schreiben.«
Aber der Anfang fiel ihm noch immer sehr schwer und er mußte mit größter Mühe die Worte zusammensuchen. Da neigte sie sich sanft über seine Schulter und begann ihm leise die Sätze ins Ohr zu flüstern. Von Zeit zu Zeit hielt sie inne und fragte:
»Ist das richtig, wie du es gemeint hast?«
Er antwortete:
»Ja, vortrefflich.«
Sie fand scharfe Wendungen und giftige Bosheiten, um den Ministerpräsidenten zu treffen. Sie verquickte, wie es nur eine Frau vermag, spöttische Bemerkungen über sein Gesicht mit denen über seine Politik in so komischer und geistreicher Weise, daß man lachen und zugleich die Richtigkeit und Schärfe ihrer Beobachtung billigen mußte. Du Roy setzte zuweilen einige Zeilen hinzu, die die Tragweite und Wirkung des Angriffs vertieften und verschärften. Er verstand sich vortrefflich auf die Kunst, versteckte und zweideutige Bosheiten anzubringen; er hatte es gelernt, als er den Nachrichtenteil redigierte; und wenn eine Tatsache, die Madeleine für unanfechtbar hielt, ihm zweifelhaft oder gefährlich erschien, so ließ er sie nur ahnen und brachte es meisterhaft fertig, sie dem Leser im Geiste noch schärfer einzuprägen, als wenn er etwas Positives behauptet hätte.
Als der Artikel beendet war, las ihn Georges laut und pathetisch vor. Sie fanden ihn beide ausgezeichnet und lächelten sich überrascht und entzückt zu, als hätten sie sich einander offenbart. Bewundernd und zärtlich sahen sie sich in die Augen und dann umarmten sie sich stürmisch, heiß und leidenschaftlich. Du Roy nahm die Lampe:
»Und nun ins Bettchen«, sagte er mit einem glühenden Blick.
Sie antwortete:
»Gehen Sie voran, mein Gebieter, und beleuchten Sie mir den Weg.«
Er ging voran und sie folgte ihm ins Schlafzimmer, dabei kitzelte sie ihn mit den Fingern zwischen Nacken und Kragen, damit er rascher gehen sollte, denn diese Art Liebkosung konnte er nicht vertragen.
Der Artikel erschien mit der Unterschrift »Georges Du Roy de Cantel« und erregte großes Aufsehen. In der Kammer gab es eine stürmische Sitzung. Vater Walter beglückwünschte den Verfasser und übertrug ihm die politische Redaktion der Vie Française. Die Lokalnachrichten übernahm wieder Boisrenard.
Es begann nunmehr in der Zeitung ein geschickter und heftiger Feldzug gegen das zuständige Ministerium. Die Angriffe waren gewandt und schlau geführt und auf Tatsachen aufgebaut, bald ironisch, bald ernst, bald humoristisch, bald giftig; sie trafen scharf und sicher, so daß alle Welt erstaunt war. Die anderen Blätter zitierten fortwährend die Vie Française und druckten ganze Spalten ab, und die einflußreichen, politischen Machthaber erkündigten sich, ob man diesen unbekannten, erbitterten Feind nicht mit Hilfe einer Präfektur zum Schweigen bringen könnte.
In politischen Kreisen wurde Du Roy bald eine vielgenannte Persönlichkeit.
Er spürte seinen wachsenden. Einfluß an den Händedrücken und der Art des Hutabnehmens. Und seine Frau wiederum erfüllte ihn mit Staunen und Bewunderung durch den Scharfsinn ihres Geistes, die Geschicklichkeit ihrer Informationen und die Zahl ihrer Bekanntschaften.
Wenn er nach Hause kam, fand er stets in seinem Salon irgendeinen Senator oder Abgeordneten, einen höheren Staatsbeamten oder General, die mit Madeleine wie mit einer alten Freundin ernst und vertraulich verkehrten. Wo hatte sie alle diese Leute kennengelernt? In der Gesellschaft, meinte sie. Aber wie war es ihr gelungen, ihr Vertrauen und ihre Freundschaft zu gewinnen? Das konnte er nicht begreifen.
»Sie wäre ein schlauer und tüchtiger Diplomat«, dachte er.
Oft kam sie zu spät zum Essen und stürzte dann außer Atem rot und erregt ins Zimmer, und ehe sie noch den Schleier abgelegt hatte, sagte sie:
»Heute habe ich
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