Bel Ami (German Edition)
sie blieb immer traurig und ernst. Haßerfüllt beobachtete sie ihre Schwiegertochter. Es war der Haß der alten Arbeiterin und Bäuerin mit verbrauchten Fingern und durch schwere Mühen entstellten Gliedern gegen die Städterin, die ihr Widerwillen einflößte, wie eine Verdammte, Verworfene, ein unreines Wesen, das nur für Sünde und Müßiggang geschaffen sei. Alle Augenblicke stand sie auf, um das Essen hereinzutragen und die Gläser zu füllen mit dem gelben herben Trank aus der Karaffe oder mit dem roten, schäumenden Apfelwein, bei dem der Pfropfen knallend aus der Flasche sprang wie bei einer moussierenden Limonade.
Madeleine aß wenig und sprach auch kaum, sie blieb traurig sitzen mit ihrem gewöhnlichen Lächeln, zu dem sie ihre Lippen zwang. Sie war enttäuscht und tief traurig. Warum? Gerade sie hatte ja kommen wollen; und sie wußte schon im voraus ganz genau, daß es richtige kleine, arme Bauern waren. Wie hatte sie sich wohl diese Schwiegereltern geträumt, sie, die sonst nie träumte.
Wußte sie denn das? Kam es daher, weil Frauen immer etwas anderes erwarten, als was nachher kommt? Hatte sie sich diese Bauern aus der Entfernung poetischer vorgestellt? Nein, aber vielleicht edler, literarischer, zärtlicher, dekorativer. Sie hatte sie sich doch gar nicht edelmütig gewünscht wie in den Romanen? Woher kam es also, daß sie sich durch die unzähligen, kaum sichtbaren Kleinigkeiten, durch die vielen ungreifbaren Grobheiten und Plumpheiten abgestoßen fühlte? Oder lag es an ihrem bäurischen Wesen, an ihren Worten, ihren Gebärden, und an ihrem Lachen?
Sie dachte an ihre eigene Mutter, von der sie nie zu jemand sprach. Es war eine verführte Erzieherin aus Saint-Denis, die in Kummer und Elend gestorben war, als Madeleine zwölf Jahre zählte. Ein Unbekannter hatte das Mädchen erziehen lassen, zweifellos ihr Vater. Wer war er? Sie wußte es nicht genau, obgleich sie bestimmte Vermutungen hegte.
Das Frühstück nahm kein Ende. Jetzt kamen Gäste, die dem alten Duroy die Hand schüttelten und in staunende Ausrufe ausbrachen, als sie den Sohn erblickten; sie betrachteten die junge Frau von der Seite, zwinkerten listig mit den Augen, womit sie sagen wollten:
»Donnerwetter! Das ist ein frisches Weibchen, die Frau von Georges Duroy.«
Die anderen, die weniger Befreundeten, setzten sich an die Holztische und riefen: »Einen Liter! — Einen Schoppen! — Zwei Schnäpse! — Einen Bittern!« Dann begannen sie Domino zu spielen, indem sie laut klappernd mit den schwarzweißen Knochensteinen auf den Tisch schlugen.
Mutter Duroy ging immerfort hin und her, bediente die Kunden, nahm das Geld von ihnen und wischte mit ihrem Jammerblick, den Tisch mit dem Zipfel ihrer blauen Schürze ab.
Der Rauch der Tonpfeifen und der billigen Zigarren erfüllte den Raum. Madeleine begann zu husten und fragte:
»Wollen wir nicht gehen? Ich kann es nicht mehr aushalten.«
Die Mahlzeit war noch nicht beendet, und der alte Duroy war unzufrieden. Da stand sie auf und setzte sich auf einen Stuhl vor der Tür auf der Straße und wartete, bis ihr Schwiegervater und Gatte ihre Schnäpse und Kaffee zu Ende getrunken hatten.
Georges kam gleich zu ihr heraus:
»Wollen wir etwas nach der Seine hinunter?« fragte er.
Sie nahm den Vorschlag mit Freuden an.
»Ach ja, gehen wir.«
Sie gingen den Berg hinunter, mieteten sich ein Boot in Croisset und verbrachten den Rest des Nachmittags an den Ufern einer Insel unter den Weiden. Sie wurden schläfrig von der milden Frühlingswärme und, gewiegt von den leichten Wellen des Flusses, schlummerten sie allmählich ein.
Als es dunkel wurde, stiegen sie wieder hinauf.
Das Abendessen beim Schein einer Kerze war für Madeleine noch peinlicher als das Mittagessen. Der Vater Duroy war halb betrunken und sprach nicht mehr, und die Mutter hatte ihren mürrischen Gesichtsausdruck nicht abgelegt.
Das spärliche Licht warf auf die grauen Mauern die Schatten der Köpfe mit riesigen Nasen und maßlosen Gebärden. Von Zeit zu Zeit, sobald jemand sich umdrehte und sein Gesicht der gelben, zitternden Flamme näherte und sein Profil darbot, sah man eine Riesenhand eine Gabel, die wie eine Heugabel aussah, zum Munde führen, der dem Maul eines Ungeheuers glich.
Sobald die Mahlzeit zu Ende war, zog Madeleine ihren Mann ins Freie hinaus, um nicht in der düsteren Stube bleiben zu müssen, wo es nach altem Tabaksqualm und verschüttetem Wein roch.
Als sie draußen waren, sagte er:
»Du langweilst dich
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