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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milada Součková
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Koníček anschaut, fühlt sie, dass das überhaupt nicht nötig ist. Fremdsprachen muss man können und die gehen ihr mühelos ein, fast ohne Lernen, weil sie ein gutes Gehör hat: Julinka kann gut Deutsch, beginnt französisch zu sprechen. Natürlich will sie keine Grammatik lernen. Julinka spielt Theater, singt, die Gesangslehrerin sagte, Julia habe Talent, Julinka weiß das. Alexander der Große – Fräulein Koníček strengt sich so an, Julinka ist gleichgültig, dass sie sich anstrengt – wer so hässlich ist wie Fräulein Koníček – sie ist gar nicht hässlich, aber neben Julinka sähe auch eine hübschere Person als Fräulein Koníček blass aus – Alexander der Große –
    Julinka ärgert sich heute, nicht besser aufgepasst zu haben, dass sie Fräulein Koníček vergebens reden ließ und daran dachte, ob Zage beide wird haben wollen – Fräulein Koníček, die Ärmste – damals beschleunigte sich ihr und Julinkas Atem vor Erregung: Julinkas bei dem Gedanken, sie könnte an Doktor Zages Wohnung läuten, und Fräulein Koníčeks, obwohl so bescheiden und genügsam, wegen des rücksichtslosen Verhaltens ihrer Schülerin.
    Julinka hat an der Wohnung Doktor Zages geläutet und Fräulein Koníček hat sich in der letzten Stunde des Monats ein Gespräch mit Fräulein Julinkas Mutter ausgebeten. In ihrer bescheidenen und ängstlichen Art teilte sie ihr mit, sie halte den weiteren Unterricht des Fräulein Tochter für überflüssig: das Fräulein passe in den Stunden überhaupt nicht auf, und umsonst möchte sie kein Geld nehmen.
    Frau Herold bliebt nichts übrig, als Fräulein Koníčeks Kündigung anzunehmen. Statt auf die Tochter zu schimpfen, zürnte sie im Geist Fräulein Koníček: denn die ist angeblich ein armer Teufel! Alexander der Große – aber wer konnte das damals ahnen! Julinka traf zwar schon damals Oliva auf der Ferdinandstraße, ahnte aber nicht – dass Alexander der Große Achill nachahmte, Cäsar den Alexander und Scipio den Cyrus.
    Sie konnte nicht ahnen, dass Oliva Napoleon bewundert. Wir hätten aber eine falsche Vorstellung von Oliva, würden wir glauben, er wolle Julinka mit seiner Bildung beeindrucken. Es stimmt zwar, er sprach mit ihr »über den Maßstab der Moral, die dem Leben dadurch schadet, dass sie den Körper verachtet«, aber zugleich machte er sich über sie lustig, sooft sie versuchte, sich seinem Seelenleben anzupassen: »Sie ließ es bleiben, es passt nicht zu ihr!«
    Doch ich habe den Erzählfluss verlangsamt und bin zugleich vorausgeeilt. Also müssen wir uns gedulden, bis es möglich wird, den Fehler zu korrigieren.
    Ich sehe das Hotelzimmer vor mir, den Tisch, auf dem ich die vertrauten Flakons Giulias (das ist Julinkas Theatername) deutlich erkenne, ihr Necessaire und daneben die nie gelesenen Bücher von Renan und Pascal, manchmal lag irgendein Roman dazwischen – zum wievielten Mal? Zum wievielten Mal lässt sich Giulia über ihre Erfolge aus, zum wievielten Mal über ihr kompliziertes Gefühlsleben, zum wievielten Mal über ihre Lebens»philosophie«? Zum wievielten Mal? Ich weiß es nicht.
    Ich kenne Giulia seit dreißig Jahren. Zum wievielten Mal in diesen Jahren, da sie Schauspielerin und Sängerin ist,lässt sie sich über die Verträge, die sie unterschreibt, aus, über ihren Vorsatz, den Gesangslehrer oder die Gesangslehrerin, die Methode der Vokalisation * , das Engagement, die Stadt, den Kontinent zu wechseln? Zum wievielten Mal lässt sie sich über ihr Verhältnis zu Olivo aus, über ihr Verhältnis zu Männern? Zum wievielten Mal spricht sie über ihren Plan, ein eigenes Theater zu gründen, einen Roman zu schreiben? Zum wievielten Mal lässt sie sich über den künftigen Erfolg aus, über den vergangenen, zum wievielten Mal? Ich weiß es nicht.
    Zum wievielten Mal lässt sie sich über ihre Gefühle aus, ihr vergangenes Leben, ihr Seelenleben? Ändert sich daran etwas oder ändert sich nichts? Ich weiß es nicht.
    Ändert sich Giulia?
    In immer gleicher Weise sitze ich mit ihr im Hotelzimmer und in immer gleicher Weise sehe ich vor mir die immer gleichen Formen der Flakons, nein – ich erinnere mich deutlich, nach ein paar Jahren waren ihre Verschlüsse aus Gold, aus echtem Gold, Giulia hat mich darauf aufmerksam gemacht. Oder hat sie mir nur das goldene, mit Smaragden und Rubinen bestickte Handtäschchen gezeigt? Ich weiß nicht, ich weiß nur, viele Jahre lang, auch wenn es Giulia nicht gerade glänzend ging, sah ich öfter in ihrem Hotelzimmer

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