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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milada Součková
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sie frei erfunden sind, obwohl ich wie die meisten Schriftsteller so tun könnte, als seien sie authentisch. Ich werde nun deine Geduld weiter prüfen und verlangen, du sollst es als selbstverständlich annehmen, dass ich auf keine Weise für die Gedanken verantwortlich bin, auch nicht für den Stil der Aufzeichnungen: in einigen Details bin ich sogar überhaupt nicht mit ihneneinverstanden. Ich drücke nur Ernesto Olivas Gedanken aus, die im für ihn typischen Stil geschrieben sind.
    Und jetzt würde ich gern wissen, wie du über sie urteilst? Findest du nicht wenigstens interessant, dass schon damals Gedanken im Schwange waren, von denen viele erst heute populär sind?
    Dann folgen einige Auszüge aus Machiavelli, als Beispiel: Ma, quanto allo esercizio della mente, debbe el principe leggere le istorie, e in quelle considerare le azioni delle uomini eccellenti, …: come si dice che Alessandro Magno imitava Achille, Cesare Alessandro, Scipione Ciro.
    Dazu ist keine Erklärung nötig, denn wir wissen, Ernesto war überzeugt, dass wir ständig große Vorbilder haben sollen.
    Damit sind wir schon beim nächsten Kapitel:

VIERTES KAPITEL
    an dessen Beginn wir den Schluss des vorherigen Kapitels übersetzen:
    »Was nun die Übung durch Nachdenken betrifft, so muss der Fürst die Geschichte lesen und in ihr die Handlungen der großen Männer betrachten …: So sagt man, dass Alexander der Große Achill nachahmte, Cäsar den Alexander und Scipio den Cyrus.« *
    So erzählt man, dass Alexander der Große, Alexander der Große –
    Julinka bereut, in den Stunden bei Fräulein Koníček nicht besser zugehört zu haben! Alexander der Große! Julinka erinnert sich deutlich, Fräulein Koníček hatte von Alexander dem Großen erzählt, aber was? Nur an den Namen erinnerte sich Julinka. Konnte sie ahnen, dass sie Doktor Oliva kennenlernen wird und ihn beeindrucken will? – Julinka vermutet nämlich, das ginge mit Alexander dem Großen.
    Doktor Oliva ist nicht beeindruckt davon, dass Julinka in der Singakademie auftrat, ihn beeindruckt nicht, wenn sie »Ružica« oder »Oh, warum warst du mir zu Willen« singt. Spricht man über das Theater, wird Oliva sagen: »Künstler? Das sind kleine Kinder.« Und Julinka möchte in seinen Augen kein kleines Kind sein. Sie möchte ihn blenden und nimmt an, das wäre vielleicht mit Kenntnissen über Alexander den Großen möglich. Sie bedauert, mein Gott, wie sie bedauert, in den Stunden bei Fräulein Koníček, diesemdicken, blassen Fräulein Koníček, die vergangenes Jahr an Schwindsucht gestorben ist, nicht besser aufgepasst zu haben. Vor drei Jahren unterrichtete sie Julinka, die aus der Bürgerschule kam. Julinkas Mutter wünschte, die Bildung des Töchterchens zu vervollständigen. Julinka langweilte sich bei den Stunden und passte überhaupt nicht auf. Hätte sie das geahnt! Alexander der Große! Ja, sie erinnerte sich, aber nur an den Namen. Heerführer, König – Julinka stellt ihn sich nur ungenau als eine mit vager historischer Garderobe bekleidete Gestalt vor. Alexander der Große – hätte sie in den Stunden Fräulein Koníčeks besser aufgepasst – wie gut käme ihr das jetzt zupass!
    Sie konnte damals nicht ahnen, dass sie Doktor Oliva kennenlernen wird. Alexander der Große – Fräulein Koníček, der Ärmsten, hätte alles, was sie über Alexander den Großen wusste, nichts genutzt, bei keinem, nicht bei Doktor Oliva, geschweige denn bei Doktor Zage – der über alle Blaustrümpfe lachte. Und doch bedauert Julinka, aber wie konnte sie das damals wissen, als Fräulein Koníček zu ihr kam, damals glaubte Julinka alles, was Doktor Zage sagte: auch, dass er Julinka liebe.
    Fräulein Koníček ließ sich über Alexander den Großen aus und Julinka hörte nicht zu, schaute aus dem Fenster und dachte daran, wie Doktor Zage gestern Abend, als sie Ružica angestimmt hatte, auf sie zugetreten war. Sie studierte diese kroatischen Lieder ein, weil Doktor Zage Kroate ist. Fräulein Koníček, das stämmige und blasse Fräulein Koníček sagte: »Alexander der Große – –« Julinka bedauert, dass sie nicht aufgepasst hat. Fräulein Koníček setzte sich an den Tisch, an dessen Ende ein Tablett mit Gänseklein, einem Neusilberlöffelchen und einem leerenSchälchen stand. Alexander der Große – Julinka dachte: die Ärmste! über Fräulein Koníček und über sich: Sie habe das nicht nötig. Sie wolle, dass die Leute von ihr sagen, sie sei gebildet; wenn sie aber Fräulein

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