Bélas Sünden
Er weiß nicht, wie er sie auf elegante Weise loswerden soll. Aber da darf er sich von mir keinen guten Tipp erhoffen.«
Ich wartete auf eine verräterische Reaktion. Und ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich dann reagieren sollte. Aber Sonja zuckte mit keiner Wimper, nur mit den Achseln. So verletzlich, wie ich gedacht hatte, war sie wohl doch nicht. Ein paar Sekunden lang war es still im Zimmer. Dann meinte sie:»Du kannst mir nicht erzählen, dass du das so wegsteckst, Mama. Dann würdest du nicht herumschleichen wie kurz vor dem Todesurteil.«
»Das hat andere Gründe«, erklärte ich und hoffte, dass es überzeugend klang.»Ich habe Schwierigkeiten mit dem Roman. Ich komme einfach nicht weiter.«
Bis dahin hatte ich mit ihr nicht über das Thema gesprochen. Es interessierte sie nicht, worüber ich schrieb. Es hatte sie nie interessiert. Nur das Geld, das ich damit verdiente, war immer wichtig gewesen.»Wenn ich das Manuskript im Januar nicht abliefern kann, gibt es Ärger«, sagte ich.»Das Problem ist, dass ich mich mit dem Thema festgelegt habe. Und es gibt Situationen, in die kann ich mich einfach nicht hineinversetzen. Ich kann mir nun einmal nicht vorstellen, ein Verhältnis mit meinem Vater zu beginnen. Freiwillig, verstehst du, nicht unter Zwang oder Drohungen. Das Mädchen ergreift die Initiative, der Mann will eigentlich gar nicht. Dem müssen seine Skrupel erst ausgeredet werden. Nachdem er sich dann auf ein Verhältnis eingelassen hat, ist er erpressbar. Und sie nutzt ihn schamlos aus.«
Das tat sie doch! Der Unterhalt jeden Monat, das Geld, das nie reichte. Hier noch ein Schein und da noch ein Schein von Mama. Und zusätzlich hier noch einer und da noch einer von ihm. Darüber sprachen wir manchmal, wenn sie uns besucht hatte. Ich rechnete damit, dass sie zusammenzuckte. Aber da kam nichts. Kaltes Biest, dachte ich und erzählte noch ein bisschen. Von der Verführung, den Erpressungen. Sie hörte mit unbewegter Miene zu. Irgendwann meinte sie:»Du hättest bei deinen Morden bleiben sollen, Mama. Wenn du dich da nicht hineinversetzen kannst, wie bist du denn überhaupt auf so eine Idee gekommen?«
»Ich habe mich vor einiger Zeit mit Marion unterhalten. Sie hat mir von solch einem Fall erzählt. Ich dachte, das Thema ist gut. Daraus kann man etwas machen. Sogar einen Mord. Wenn die Mutter dahinter kommt, mit wem sie betrogen wird…«
Den Rest ließ ich offen. Sonja murmelte:»Blödes Huhn.«
Ob sie damit Marion oder mich meinte, blieb offen. Sie schaute an mir vorbei zum Fenster.»Und wen bringt die Mutter um, den Mann oder die Tochter? Wahrscheinlich keinen von beiden. Kannst du dir nicht vorstellen, wie Mütter in so einer Situation reagieren? Sie drücken beide Augen zu und tun, als ob sie von nichts eine Ahnung haben. Vielleicht fühlen sie sich sogar schuldig, weil sie selbst dem Mann nicht geben, was er braucht.«
Ich hätte nicht sagen können, ob sie wütend war. Ihre Stimme klang danach. Kurz darauf ging sie. Und ich machte die nächste Tour, verletzt auf eine Art, die ich nicht begreifen konnte. Das Fernsehinterview, ich weiß nicht, wie ich es überstanden habe. Wie ich im Studio sitzen konnte, lässig und cool, lächeln und reden und innerlich sterben beim Gedanken: jetzt sind sie zusammen, liegen in meinem Bett. Jetzt will sie von ihm wissen, was Sache ist. Wen liebst du, Béla, mich oder meine Mutter? Wann schaffst du endlich klare Verhältnisse? Die Buchmesse war noch schlimmer. Zwei Tage. Die Nächte im Hotel, allein in einem fremden Zimmer. Warum hatte ich mich auf ein Hotelzimmer eingelassen? Ich hätte über Nacht heimfahren können, gut zweieinhalb Stunden Fahrt. Morgens in aller Herrgottsfrühe wieder auf die Autobahn. Béla war dagegen gewesen.»Liska, sei vernünftig, nimm den Zug. Du kannst nicht mit dem Wagen fahren. Das sind fünf Stunden Autobahn jeden Tag. Ich hätte keine ruhige Minute, wenn du unterwegs bist.«
Die Heimfahrt war schrecklich. Gute zwei Stunden Fahrt bis Köln und so viele Gedanken. Béla holte mich am Bahnhof ab, es war früher Nachmittag. Morgens hatte ich noch ein Interview gegeben.»Du siehst müde aus, Liska«, stellte er fest.»Ich habe nicht viel geschlafen.«
Er legte mir den Arm um die Schultern, erst nur leicht, als ich nicht protestierte, zog er mich fester an sich.»Du warst bei mir mit deinen Gedanken, das konnte ich fühlen. Aber ich habe gut geschlafen mit deinen Gedanken.«
Als wir ankamen, bestand er darauf, dass ich mich
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