Bélas Sünden
Spuren gesichert. Die würden sie auswerten. Und dann konnte Meta noch hundertmal behaupten:»Sie war im Kino und damit basta!«
An dem Samstag verließen Meta und Marion das Haus, kurz nachdem Sonja wieder heruntergekommen war. Während Sonja noch berichtete und spekulierte, hörte ich sie beide zur Eingangstür schleichen. Ich wäre am liebsten hinausgelaufen und hätte das dumme Ding verprügelt. Nachdem sie ihren dürftigen Bericht beendet und noch ein paar Mutmaßungen angehängt hatte – dass Marion bis zum Hals voller Schuldgefühle sei, jedenfalls mache sie den Eindruck, und sie sei wohl auch nicht ganz zu Unrecht der Meinung, ihren geliebten Papa auf dem Gewissen zu haben –, wurde Sonja hungrig. Ich machte uns in der Küche hinter dem Lokal eine Suppe heiß. Hinaufgehen mochte ich nicht. Sonja gab sich zuversichtlich.»Jetzt mach dir nicht so große Sorgen, Mama. Wenn Béla es wirklich getan hat, das war Notwehr, und das lässt sich bestimmt beweisen. Wenn so ein eifersüchtiges Kraftpaket auf einen losgeht, darf man sich seiner Haut wehren. Außerdem sind sie doch auf Meta fixiert. Sollen sie sich an der erst mal die Zähne ausbeißen. Da beißen sie auf Granit. Ich bin sicher, Meta weiß Bescheid, aber sie hält dicht. Und sie hat Marion im Griff. Du hättest das erleben müssen da oben. Meta hat nichts gesagt, als ich Marion fragte, aber ihre Blicke.«
Was halfen mir Metas Blicke. Meine Bettwäsche lag im Polizeilabor. Mein Mann war nicht heimgekommen. Auf der Flucht, dachte ich, weiter konnte ich nicht denken, nur noch, dass ich ihnen das Kennzeichen seines Wagens genannt hatte. Aber das hätten sie so oder so in Erfahrung gebracht. Sonja löffelte ihre Suppe und erkundigte sich irgendwann:»Du liebst ihn immer noch, was?«
Ja verdammt, wie sollte ich ihn denn nicht lieben! Sie kamen am frühen Nachmittag. Offermann, sein schweigsamer Kollege und Béla. Sonja sah sie aufs Haus zukommen. Dann standen sie auch schon im Lokal. Offermann links, sein Kollege rechts, Béla in der Mitte. Er sah so zerknittert und übernächtigt aus. Ich habe ihn nie mehr geliebt als in dem Moment, als ich denken musste, dass ich ihn verloren hatte, endgültig, lebenslänglich. Ich suchte in seinem Gesicht nach Schlagspuren, Beweisen für das, worauf er sich für ein mildes Urteil berufen musste: Notwehr. Aber es gab nicht eine einzige Schramme, kein noch so winziger Bluterguss. Er trug keine Handschellen. Und vielleicht hätte mir auffallen müssen, wie respektvoll sie mit ihm umgingen. Sie waren ja tatsächlich auf Meta fixiert. Und Béla hatte ihnen ein herzergreifendes Motiv geliefert. Er war bis zum Morgen bei Andreas geblieben. Um neun, als ich aufwachte, hatte er sich im Polizeipräsidium gemeldet. Zwei Stunden hatte er auf Offermann warten müssen, ab und zu brauchte der eben auch ein bisschen Schlaf. Dann hatten sie sich unterhalten, sehr lange und sehr offen. Freimütig und rückhaltlos hatte Béla seine Karten auf den Tisch gelegt. Warum musste ich, als ich davon erfuhr, nur denken: Er hatte Zeit genug, die Karten zu mischen. Andreas half ihm dabei. Andreas war doch immer der Meinung gewesen, dass man einen Béla nur an ein Instrument setzen durfte und sonst nirgendwohin. Höchstens noch in ein Bett legen! Vorerst war er für die Polizei in keiner Weise verdächtig. Er war nur ein Mann, der seine Wohnung kurz nach sieben am Donnerstagabend verlassen hatte. Dafür gab es eine Zeugin, Marion, und einen triftigen Grund, einen Anruf vom Liebhaber seiner Frau. Und er liebte seine Frau so sehr. Szeretlek, Liska, für immer und alle Zeiten. Aber Liska war ein Luder. Dass sie ihn loswerden wollte, vermutete er seit Wochen, eigentlich schon seit Monaten. Seit sie ihn mit ihren haltlosen Eifersuchtsattacken quälte, mit – im wahrsten Sinne des Wortes – an den Haaren herbeigezogenen Beweisen. Jedenfalls soweit sie ihn betrafen. Was sich nach seinem überstürzten Abgang in der Wohnung abgespielt hatte, das konnte Béla nur vermuten. Und er vermutete munter drauflos, ohne zu ahnen, dass er Offermanns Theorie damit auf solide Beine stellte. Dieser Roman, nicht wahr? Liskas grandiose neue Idee, diese schmutzige Geschichte. Ein Verhältnis zwischen Vater und Tochter. Offermann muss begeistert gewesen sein. Es erschien plötzlich alles in einem klaren Licht. Ein Schäferstündchen mit der eigenen Tochter in einer fremden Wohnung, von der beide annahmen, dass sie bis etwa zwei in der Nacht zu ihrer freien Verfügung stand.
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