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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Schießpulver oder irgendeine Chemikalie, die sie zum Sichern der Spuren am Tatort brauchten. Ich habe keine Ahnung von solchen Dingen. Vielleicht bildete ich mir das nur ein.
    In meinem Schlafzimmer waren drei Männer in weißen
    Schutzanzügen beschäftigt. Sie sahen aus wie von einem Entseuchungstrupp. Einer sprühte das Bettgestell mit irgendetwas ein. Das Bettzeug war bis auf das Laken abgeräumt, der zweite untersuchte die nackte Matratze. Der dritte kniete neben dem Bett auf dem Fußboden. Was er machte, war nicht zu erkennen. Ich sah nur flüchtig seinen Rücken. Dann hatten meine Augen ihren Fixpunkt gefunden. Er lag am Fußende vor dem Bett. Warum hatten sie ihn noch nicht fortgeschafft nach all der Zeit? Es waren anderthalb Stunden vergangen, seit der alte Dussing die Schüsse gehört hatte. Warum hatten sie nicht Dussing gebeten, sich die Leiche anzusehen? Er hätte ihnen auch sagen können:
    »Ja, das ist Béla.«
    Sie hatten ihn abgedeckt. Und zuerst sah ich nur einen weißen Haufen vor meinem Bett liegen. Er war nicht unförmig. Ich erkannte, wie die Beine lagen und dass der linke Arm angewinkelt war. Und ich wusste noch so genau, wie es sich anfühlte, wenn er diesen Arm um meine Taille legte, wenn er mich an sich zog, sein Becken gegen meine Hüften presste, wenn ich seine Erregung fühlte, sein Flüstern hörte. »Ich will dich, Liska, jetzt gleich.« Ich wollte schreien oder sonst etwas tun, aber ich war wie gelähmt. Ich konnte nicht glauben, dass er tot sein sollte. Ich meine: Ich wusste es. Ich sah ihn ja liegen. Aber ich wusste es nur mit den Augen. Weiter ging es nicht in den Kopf hinein.
    Er lag auf dem Rücken. Oben schaute ein winziges Haarbüschel unter dem Tuch hervor. Dunkle Locken. Ich habe immer für diesen Typ geschwärmt, auch als junges Mädchen schon. Dunkle Haare, dunkle Augen. Eigentlich seltsam, dass ich dann erst einmal den blonden Riesen Karl-Josef nahm.
    Ich wollte nicht, dass sie das Tuch anhoben. Ich dachte, ich könne es nicht aushalten, noch einmal sein Gesicht zu sehen. Ich sah es noch so deutlich vor mir, wie es Sonntagnacht ausgesehen hatte, als er mich zum Zug gebracht hatte. Er hatte dafür extra eine Stunde früher zu spielen aufgehört. Wie er mich auf dem Bahnsteig in die Arme nahm.
    Er hatte eine besondere Art gehabt, mich in die Arme zu nehmen und so zu halten, dass ich ihm ins Gesicht schauen musste. »Es ist so lange diesmal, Liska, vier Tage. Was soll ich tun ohne dich? Ich werde dich sehr vermissen.« Und der Kuss zum Abschied! Es hätte romantisch sein können, wäre es mir nur gelungen, für ein paar Sekunden abzuschalten. Diese dreimal verfluchten Bilder von den Beinen auf seinen Schultern. Während er mich küsste, musste ich mir vorstellen, wie sie sich geküsst hatten. Eine Hand im Rücken, eine seitlich am Hals. Und dann mit den Lippen von den Schläfen über die Wange zu den Mundwinkeln. Zuerst nur dieses sanfte, spielerische Streicheln, eine Vorahnung dessen, was noch kam. Er war wirklich ein Mann wie ein Traum gewesen. Und jetzt war er tot.
    Dass ich am ganzen Körper zitterte, bemerkte ich erst, als der zweite Beamte nach meinem Arm griff und mich auf das weiße Bündel zuschob. Offermann sagte etwas, vielleicht etwas Beruhigendes oder Mitfühlendes. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur noch, dass ich plötzlich schreien konnte und auch geschrien habe, als Offermann sich bückte und das Tuch anhob. Ich hatte noch nie einen Toten gesehen. Nicht einmal einen, der friedlich in seinem Bett gestorben war. Und dann einen, der plötzlich und mit Gewalt – es war ein schrecklicher Anblick, schlimmer als alles, was ich bis dahin als schlimm angesehen hatte. Einer der Schüsse hatte ihn ins Gesicht getroffen. Ich hoffe immer noch, es war der erste, und er tötete ihn auf der Stelle. Ich ertrage den Gedanken nicht, dass er Schmerzen hatte, dass er leiden musste. Sein Kopf lag in einer großen Blutlache. Eine Kugel war beim rechten Auge eingedrungen. Da war nur noch ein Loch. Und so viel Blut. Und ich schrie, bis sie mich zurück in die Diele brachten. Immer nur: »O mein Gott, nein! O mein Gott, nein!« Ich schrie noch, als wir die Treppe hinuntergingen. Offermann hielt meinen Arm. Ich fühlte, dass ich den Kopf schüttelte, so heftig, als könne ich damit alles auslöschen. Wie ein paar Seiten, die ich geschrieben hatte, die mir nicht gefielen. Da schüttelte ich auch den Kopf, und dann ließ sich das so leicht rückgängig machen. Das da oben nicht.
    Sie

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