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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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verstand den Blonden. Er empfand vermutlich dasselbe wie ich. Wenn es um Schönheit und Gefühle geht, spielt es doch keine Rolle, ob man ein Mann ist oder eine Frau. »Lisa«, sagte ich. Béla ließ den Namen einmal über die Zunge rollen, ehe er ihn so aussprach, wie ich ihn von da an nur noch von ihm hörte. »Liska. Hast du Zeit heute Abend? Nur eine Stunde? Du wirst die Musik lieben.«
    Die Musik? Ich wollte ihn lieben. Notfalls auch nur für eine Stunde, wenn ich mehr nicht haben konnte. Sonja war kein Problem. Ihr musste ich nur sagen, dass ich noch einmal wegginge. Sie würde mich nicht einmal fragen, wohin. »Um neun?«, fragte ich. Dann ging Sonja zu Bett, und bis dahin hatte ich Zeit genug, mich zurechtzumachen. »Um neun«, sagte er, griff nach dem Kugelschreiber, der immer bei der Kasse lag, und nach einem Kassenbon, den jemand liegen gelassen hatte. Er schrieb mir seine Adresse auf die Rückseite. Dann ging er. Wäre es ein Mittwoch oder ein Freitag gewesen, wäre mir die Zeit nicht so lang geworden, aber montags war es immer ruhig. Bis ich kurz nach sieben endlich zu Hause war, schien eine Ewigkeit vergangen. Sonja hantierte in der Küche am Herd. Während ich mir den Mantel auszog, rief sie mir entgegen: »Ich habe schon gekocht.«
    Es gab Bohnensuppe mit Würstchen, alles aus der Dose, die eine Hälfte verteilte sich auf dem Herd, die andere im Topf. Beim Essen erzählte sie mir von einer Englischarbeit, der Mathematikstunde. Und dass sie den halben Nachmittag auf Metas jüngere Töchter aufgepasst hatte, weil Meta mit der Ältesten zum Arzt gegangen war. »Marion hatte Halsschmerzen. Meta meinte, es wäre nicht schlimm. Aber Heinz hat gesagt, dass sie zum Arzt gehen muss, bevor es schlimmer wird. Sie haben Tabletten bekommen und einen Saft zum Gurgeln. Was meinst du, ob ich später Arzt werden soll? Das fände ich toll. Kinderarzt.« »Du hast noch viel Zeit zum Überlegen«, sagte ich und fügte beiläufig an, dass ich um neun noch einmal weg wollte. »Kann ich dann länger aufbleiben? Da kommt ein Tierfilm, der geht bis Viertel nach neun. Ich könnte ja auch Tierarzt werden.« »Oder Zahnarzt«, sagte ich, »die verdienen am meisten.« Sonja verzog das Gesicht und schüttelte sich. »Nein, das finde ich eklig, fremden Leuten in den Mund zu fassen.
    Stell dir vor, die haben sich ihre Zähne nicht richtig geputzt, und mit der ganzen Spucke.« Dann erzählte sie mir noch, dass sie während der großen Pause auf dem Schulhof eine furchtbar eklige Sache beobachtet hatte. Zwei von den Großen, die im nächsten Sommer ihr Abitur machen sollten. »Die standen da in der Ecke und haben sich geküsst. Er hat ihr die Zunge in den Mund geschoben. Das konnte ich sehen. Da wäre mir schlecht geworden.« Und ich dachte, warte, mein Schatz, wenn wir ein paar Jahre weiter sind, wird dir nicht mehr schlecht. Dann wirst du es genießen. Und dabei hatte ich Bélas Gesicht vor mir, seinen Mund. Ich war ein bisschen überdreht, wischte den Herd ab, räumte die Küche auf, duschte rasch, trug neues Make-up auf, nur wenig. Dann zog ich mich um und ging los. Es hätte nicht gelohnt, den Wagen zu nehmen. Béla wohnte nur ein paar Straßen weiter in einem Altbau. Von außen sah das Häuschen schlimm aus, als könne es jeden Augenblick in sich zusammenfallen.
    Die Hausbesitzerin war eine ältere Dame, Mitte sechzig. Sie öffnete mir die Tür, hielt dabei ihr Strickzeug in der Hand. Überaus freundlich wies sie zur Treppe. Dann stand ich ihm gegenüber in seinem Reich. Es war armselig, so hatte ich nicht einmal in meiner schlimmsten Zeit gehaust. Er hatte ein winziges, möbliertes Zimmer im ersten Stock, eingerichtet mit den überzähligen Möbelstücken der Hausbesitzerin. Es wirkte zusammengewürfelt, zwei verschiedene Stühle beim Tisch, ein Schrank aus den fünfziger Jahren. Das Bett schien aus alten Armeebeständen aufgekauft. Metallgestell, neunzig breit, einsneunzig lang, eine durchgelegene Matratze, ein Berg von Federbett und darüber ein gehäkelter Überwurf, Handarbeit. Sah nach Patchwork aus, genauso zusammengewürfelt wie der Rest. Und auf einem der Stühle saß der blonde Jüngling und schaute mir neugierig entgegen. Béla machte uns miteinander bekannt. Andreas, Lisa. Andreas murmelte etwas, das so klang, als freue er sich, mich kennen zu lernen. Ich schloss mich ihm an. Wir schüttelten uns die Hände. Ich weiß nicht, worauf ich mich bei seinem Anblick innerlich vorbereitet hatte, auf ein Eifersuchtsdrama,

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