Bélas Sünden
dachte manchmal daran, das tut jeder, der schreibt. Wenn einer behauptet, er täte es nicht, lügt er. Nur ernsthaft daran glauben tat ich nicht. Als Wirtin hinter einem Kneipentresen sah ich mich auch nicht. Stattdessen sah ich Karl-Josef davor ein Bier nach dem anderen trinken. Und meine Wut, wenn er dann auf meine Schulter gestützt heimwärts schwankte. Das konnte ich anderen Frauen nicht antun. Außerdem wies Bélas Tagesplan für sein Luftschloss erhebliche Lücken auf. Woher wollte er das Startkapital nehmen?
Nun, er sparte eisern. Jeden Pfennig, den er verdiente und nicht unbedingt für den persönlichen Bedarf brauchte, legte er auf die Seite. Von mir erwartete er im ersten Jahr noch das Gleiche. Er war ein kleiner Macho auf seine Art. Am liebsten wäre ihm gewesen, ich hätte mein gesamtes Einkommen vertrauensvoll in seine Hände gelegt, damit er es für uns beide verwaltete. Ein bisschen fürs Essen und die Miete, der große Rest aufs Sparbuch. Zweimal schrammten wir äußerst knapp an einer massiven Auseinandersetzung vorbei. Einmal war der Anlass eine Seidenbluse. Das war im Oktober, da waren wir schon ein Jahr zusammen. Béla riss meinen Kleiderschrank auf, begann abzuzählen und kam auf die runde Zahl von zwanzig Blusen. Drei davon waren aus Seide. Fünf waren zu alt, um noch getragen zu werden, aber sie einfach wegschmeißen konnte ich auch nicht.
»Warum hast du noch eine gekauft, Liska?«
»Weil sie mir gefiel.«
»Aber hast du schon so viele.«
Ich atmete einmal tief durch, dann sagte ich: »Hör zu, mein Freund. Es ist mein Geld, was ich ausgegeben habe und auch in Zukunft auszugeben gedenke. Dafür sitze ich acht Stunden täglich an der Kasse und tippe in meiner Freizeit eine Geschichte nach der anderen. Ich zahle die Miete, den Strom und das Essen. Und von dem, was übrig bleibt, gönne ich mir etwas.« Béla hatte mit größer werdenden Augen zugehört. Zuerst stellte er fest: »Wenn du sagst, mein Freund, bist du böse.« Anschließend erklärte er: »Wir müssen ein bisschen sparen, Liska, wir haben doch Pläne.«
»Du hast Pläne«, sagte ich. »Und du kannst von mir aus darauf sparen, bis du schwarz wirst. Ich will keine Kneipe aufmachen. Ich will etwas von meinem Leben haben. Und ich will es haben, solange ich es genießen kann. Wenn ich alt und runzelig bin, brauche ich keine Seidenblusen mehr.«
Er verstand zwar nur die Hälfte. Dass jemand übers Sparen schwarz werden könnte, sagte ihm nichts. Mit bestimmten Redewendungen konnte er nichts anfangen. Aber er verstand sehr gut, dass er mich wütend gemacht hatte. Und dass er auf meine Kosten lebte, wusste er auch. Er lenkte ein. »Machen wir es so, Liska, ich spare für uns. Und wenn wir genug haben, reden wir noch einmal. Ja?« Das taten wir. Ich zahlte weiter für den Lebensunterhalt, die sündhaft teure Körperlotion und das dazugehörige Parfüm, dessen Duft er so mochte. Béla gönnte sich hin und wieder ein neues Hemd oder eine Jeans und sein Eau de Toilette. Sein altes Auto verschlang auch ein wenig, aber der Rest wurde unerbittlich auf die hohe Kante gelegt für den großen Traum. Kurz vor Weihnachten klärten wir endgültig, dass er sich den alleine zusammensparen musste. Sonja bekam ein kleines Keyboard, auch wenn Béla noch hundertmal meinte, dass ich mein Geld verschwende, dass sie doch auch auf seinem Instrument ein bisschen hätte klimpern können. Mehr tat sie ohnehin nicht, die Schule ließ ihr nicht genug Zeit, um sich Bélas »Ohne Noten den richtigen Ton finden«-System zu erschließen. Doch es war nicht allein das Geld, es gab in Bélas Rechnung von der traumhaften Zukunft im gemeinsamen Lokal noch andere Lücken. Wer sollte die Gäste bedienen, wenn er spielte? Wer sollte morgens um sechs aufstehen, den Tresen scheuern und den Boden wischen?
Das würde sich alles finden, meinte er. Und es war auf Dauer zermürbend, ständig aus dem Schlaf gerissen zu werden. Bei aller Liebe und Leidenschaft, manchmal wünschte ich mir, er wäre ein bisschen wie Karl-Josef gewesen. Rauf, rein, runter – und weiterschlafen! Aber das waren die kleinen Krisen am Rande, sie fielen kaum ins Gewicht.
Wir waren glücklich, manchmal unausgeschlafen, aber genau genommen zufrieden. Drei Jahre lang. Eine Zeit, in der bei mir die festen Vorsätze bröckelten. Mit jedem Monat, der verging, mit jeder Rückkehr aus Andreas’ Armen schlug die Waagschale ein wenig mehr in Richtung gemeinsame Zukunft. Himmel, ich liebte ihn, ich wollte mit
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