Bélas Sünden
statt auf dem Kissen. Er schlief fest. Sein Herz schlug gleichmäßig und kräftig. Ich lag ein paar Minuten still und hörte zu. Es war so friedlich und so sicher. Da wusste ich, dass es für immer war. Aber schon einen knappen Monat später sah es anders aus.
Es war ein Donnerstag im Mai, mein Geburtstag. Béla hatte ihn sich eigens freigehalten, ich musste arbeiten. Mittags ging ich heim, kam kurz vor eins an. Er hatte im Wohnzimmer gedeckt, schön festlich mit weißer Tischdecke, dem guten Porzellan und brennenden Kerzen. Ich musste mich hinsetzen, bekam einen Sherry als Aperitif und mein Geschenk in Goldfolie überreicht. Morgens war nicht genug Zeit dafür gewesen. Während ich auspackte, klingelte in der Küche die Zeitschaltuhr des Backofens. Das Roastbeef war fertig, der Rest stand schon servierbereit auf dem Küchentisch. Und Sonja kam erst um Viertel vor zwei aus der Schule. Ich schlug vor, mit dem Essen auf sie zu warten. Bis dahin wäre das Fleisch kalt gewesen.
»Kann man es nicht warm halten?«, fragte ich. »Ich finde das nicht gut, wenn wir beide jetzt eine private Feierstunde einlegen und so tun, als ob sie nicht dazugehört.«
Béla war ein bisschen beleidigt, dass ich angesichts des Festmahls nicht in Begeisterung ausbrach. Aber er gab auch zu, dass er nicht an Sonja gedacht hatte. Wir packten den Braten in Alufolie und legten ihn noch einmal zurück in den Backofen. Eine Sünde, fand Béla. Er hatte Recht, um Viertel vor zwei war das Fleisch zwar warm, aber zu trocken, und ich musste schlingen, um pünktlich wieder im Geschäft zu sein.
»Aber heute Abend, Liska…«
Den halben Nachmittag verging ich vor Langeweile, gegen fünf begann der Betrieb und so ein Ziehen hinter der Stirn. Um sechs hatte ich bereits richtige Kopfschmerzen, um halb sieben hämmerte es derart durch meinen Schädel, dass ich es kaum noch schaffte, die Kasse abzurechnen. Eine Kollegin fuhr mich vorsichtshalber heim. Béla war rührend. Zuerst bekam ich einen starken Kaffee, dann ein Schmerzmittel. Aber dafür war es zu spät, es half nicht mehr. Mir wurde nur übel davon.
»Leg dich hin, Liska, wenn du liegst, wird es besser.«
Das wurde es nicht. Nachdem Sonja zu Bett gegangen war, massierte er mir den Nacken, die Kopfhaut, die Schläfen. Dabei blieb es natürlich nicht. Und ich war wirklich nicht in der Stimmung, mit ihm zu schlafen.
»Du musst dich entspannen, Liska.« Seine Lippen waren an meinem Hals, die Hände bereits weiter unten. Und mein Magen fühlte sich an, als wäre er mit warmem Öl gefüllt. Ich wartete nur noch auf den Brechreiz. Irgendwann sagte ich: »Hör auf, Béla, mir ist hundeelend.«
»Wird gleich besser«, versprach er. »Hab ich eine gute Medizin für dich.«
Ich wollte nur still liegen. Um elf stellte er seine Bemühungen ein. Ich wollte schon aufatmen, aber Béla war sichtlich frustriert. Er ging in die Küche, um eine Zigarette zu rauchen. Währenddessen drehte ich mich auf die Seite und döste. Ich weiß nicht, warum, aber starke Schmerzen machen mich müde, irgendwann schlafe ich darüber ein. Bei Sonjas Geburt wäre ich fast über den Wehen eingeschlafen. Ich war schon fast weg, als Béla zurück ins Wohnzimmer kam und sich auf die Bettkante setzte. Er versuchte es noch einmal mit Zärtlichkeit, strich mir das Haar aus der Stirn, beugte sich tiefer, ließ die Lippen über die Wange zu den Mundwinkeln gleiten und murmelte:
»Szeretlek, Liska. Bist du doch alles, was ich habe.
Schick mich nicht weg.« Wie immer, wenn er sehr erregt war, war seine Sprache ein wenig verdreht.
»Ich schicke dich nicht weg«, sagte ich. »Ich liebe dich doch auch.«
Und Béla murmelte: »Dann ist es gut«, war aus seinen Jeans geschlüpft, bevor ich es registrieren konnte, kroch zu mir unter die Decke. Und alles ging von vorne los. Wir haben nicht miteinander geschlafen in dieser Nacht, wir haben auch nicht gestritten, nur etwas heftiger gesprochen. Ich verlangte ein bisschen Rücksicht. Er zweifelte an meiner Liebe. Seiner Meinung nach konnte ich nach dem Schmerzmittel kein Kopfweh mehr haben. Ich hatte nur keine Lust, mit ihm zu schlafen. Und da ich bisher noch niemals nein gesagt hatte, musste es für meine Lustlosigkeit einen triftigen Grund geben, wahrscheinlich hatte ich einen anderen. Er wurde laut, ich ein bisschen lauter, obwohl ich dachte, der Schädel müsse mir zerplatzen. Und die Tür zum Bad stand offen. Nach Mitternacht verzog Béla sich wieder in die Küche und schmollte dort vor sich
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