Bélas Sünden
vertritt, dann kann sie den nämlich bezahlen. Dann hat sie mehr Zeit. Dann kann sie mehr schreiben. Dann verdient sie noch mehr Geld. Dann spielt es eines Tages keine Rolle mehr, dass wir keinen Nachfolger für die Kneipe finden. Dann schütteln wir die Pacht locker aus dem Ärmel und leisten uns die Bruchbude als Grabstein für einen schönen Traum. Zuerst fiel mir nicht auf, dass über der Lehne eines Küchenstuhls eine Lederjacke hing. Es war eine neue Jacke, deshalb brachte ich sie nicht automatisch mit Béla in Verbindung. Und ich war in Gedanken nicht in der Küche. Ich saß im Geist in einem Zimmer am Schreibtisch. Es war ein großes, helles und gemütlich warmes Zimmer. Die neue elektronische Schreibmaschine surrte sanft – oder noch besser ein Computer. Ich wollte mir nur rasch einen Kaffee machen und weiterträumen. Es war noch etwas Zeit, ehe ich die Kneipe öffnen musste, Viertel vor elf. Dabei lohnten sich die Vormittage gar nicht. Während ich die Kaffeemaschine mit Wasser füllte, überlegte ich, ob ich ab sofort nicht erst um fünf aufmachen sollte. Bis zehn Uhr schlafen. Das klingt nach lange, aber wenn man erst nachts um halb drei ins Bett kommt, ist es eine kurze Nacht. Eine Viertelstunde für ein einsames Frühstück. Dann Putzfrau spielen, unter die Dusche, anschließend noch ein bisschen Haushalt. Mittagessen mit Sonja, ein paar Einkäufe. Es knarrte auf der Treppe. Béla kam langsam durch den Flur bis zur Küchentür. Schick sah er aus. Graue Flanellhose mit scharfer Bügelfalte, hellblaues Hemd, dezente Krawatte und ein Pullover in Mattblau darüber. Dazu trug er schwarze Lederschuhe. In der Tür blieb er stehen, lehnte sich gegen den Rahmen.
»Hallo, Liska.«
Seine Stimme klang ein wenig rau.
»Hallo «, sagte ich, kümmerte mich weder um das Herzklopfen noch um die weichen Knie und drehte mich wieder der Kaffeemaschine zu. Leicht machen wollte ich es ihm nicht.
»Bin ich wieder da, Liska.«
»Das sehe ich «, sagte ich.
»Willst du auch einen Kaffee?«
»Ja, bitte.«
Ich füllte noch etwas Wasser nach, nahm einen Filter und die Kaffeedose aus dem Schrank, anschließend zwei Tassen. Er stand noch in der Tür, aber nicht mehr gegen den Rahmen gelehnt.
»Liska, bitte.«
Er machte eine Bewegung mit der rechten Hand, als wolle er sie mir entgegenstrecken, aber dann schob er sie doch lieber in die Hosentasche.
»Bist du so kalt.«
»Das drückst du falsch aus «, sagte ich.
»Es muss heißen: Ist dir kalt? – Nein, mir ist nicht kalt. Ich habe mich warm angezogen. Aber was ist mit dir? Findest du es zu kalt hier? Soll ich das Gas andrehen?«
Er kam zum Tisch, setzte sich auf den Stuhl, auf dessen Lehne die Lederjacke hing. Sofort musste ich mir vorstellen, wie er das Ding trug. Es war eine Blousonjacke, modisch weit geschnitten, mit engem Taillenbund. Himmel, bei seiner Figur, und dann diese graue Hose. Er sah selbst in Jeans zum Reinbeißen aus.
»Welches Modemäuschen hat dich denn beim Einkleiden beraten? «, fragte ich. Mir kam erst in dem Moment der Gedanke, dass er mit einer Frau zusammen gewesen sein könnte. Bis dahin hatte ich mir das nicht vorstellen können. Aber es lag auf der Hand. Der Mann im neuen Gewand. Von alleine wäre Béla doch nicht auf die Idee gekommen, seine geliebten Jeans gegen ein gutbürgerliches Outfit einzutauschen. Und Andreas lief immer in ähnlicher Aufmachung herum. Er roch auch so anders. Ich kannte den Duft nicht, vielleicht eine neue Kreation, die gerade erst auf dem Markt war. Verdammt nochmal! Ich hatte es nicht gewagt, mir die übliche Marke zu kaufen, als die Körperlotion ausging. Im Supermarkt hatte ich mir irgendein billiges Zeug besorgt. Eine andere Frau! Die Wut hielt sich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann kam die Angst. Andreas als Rivale war etwas anderes. Aber eine andere Frau war eine andere Frau und konnte ihm dasselbe bieten wie ich. Vielleicht sogar mehr. Jetzt würde er gleich sagen, dass es keinen Sinn mehr hätte mit uns. Nicht mit mir, mein Lieber, dachte ich. Wenn hier einer den Schlussstrich zieht, dann ist das Lisa Müller oder Annette von und zu. Der Mann, der mir einen Tritt gibt, muss noch geboren werden. Meine erste Frage hatte er nicht beantwortet, mich nur mit regloser Miene angeschaut. Eine Spur Unsicherheit im Blick. Bist du so kalt, Liska. Das kannst du annehmen, mein Freund, kalt wie ein toter Fisch. Heulen werde ich erst, wenn du weg bist. Meine zweite Frage beantwortete er auch nicht.
»Ist dir das
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