Bélas Sünden
hast einen Mann im Bett. Aber den hatte ich nicht, und die alten Männer beim Tanztee waren so gehemmt. Irgendwann stand ich vom Stuhl auf. Von dem Hochgefühl, das mich auf dem Heimweg von der Post begleitet hatte, war nicht viel übrig. Ich nahm das Geschirr vom Tisch, trug es zum Ausguss, dann rief ich nach Béla. Er kam sofort herunter, als ob er darauf gewartet hätte. Wieder blieb er bei der Tür stehen und schaute mich nur an.
»Geh nicht «, sagte ich.
»Du wirst dich doch von dem dummen Ding nicht einschüchtern lassen. Wir beide waren uns einig.«
Er rührte sich nicht von der Tür weg.
»Ich will nicht, dass du gehst «, sagte ich.
»Ich liebe dich. Ich brauche dich. Ich will, dass du bei mir bleibst.«
Keine Antwort, keine Reaktion. Er schaute mich an, und es rührte sich kein Muskel in seinem Gesicht. Was sollte ich denn noch sagen? Nichts! Als ich mir den Pullover über den Kopf zog, kam er langsam näher. Einen Meter vor mir blieb er wieder stehen, immer noch mit dieser reglosen Miene. Er schaute mir zu, wie ich mich aus der Jeans schälte. Wer den letzten Schritt tat, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich er, vermutlich ich, jedenfalls war er plötzlich bei mir. Wie hatte ich das vermisst! Das heisere Liska, seine Hände, die zur gleichen Zeit in meinem Rücken, im Nacken, an den Hüften und an zwanzig oder dreißig anderen Stellen waren. Seine Lippen am Mundwinkel. Das war es, was ich so mochte, was ich vor ihm mit keinem Mann erlebt hatte. Die Art zu küssen, das Zögern dabei, das Spielen, Abwarten, dass er nicht gleich mit Zunge und Zähnen über mich herfiel. Er schob mich zurück, bis ich gegen den Tisch stieß, drückte mich dagegen.
»Sag es, Liska, sag es.«
»Ich will dich.«
Er hob mich auf den Tisch, knöpfte mir die Bluse auf. Es war kalt in der Küche. Ich bekam eine Gänsehaut, erst von der Kälte, dann von der Hitze. Irgendwann hob er mich vom Tisch herunter, schob mich rückwärts auf die Tür zu. Er war ein durchtriebener Mistkerl. Von wegen, die restlichen Sachen packen. Ausgepackt hatte er und den Radiator in unser Schlafzimmer geschoben. Es war noch nicht richtig warm, aber angenehmer als in der Küche. Und auf dem Bett war es auch bequemer als auf dem Küchentisch. Wir fielen übereinander her, als hätte man uns ein Jahr lang mit gefesselten Händen hinter Klostermauern gehalten und uns jeden Abend pornographische Geschichten vorgelesen. Bis kurz nach vier blieben wir oben. Ich wäre gerne liegen geblieben und hätte ein bisschen geschlafen. Béla ging hinunter und machte uns einen starken Kaffee, ich machte uns später noch ein paar belegte Brote. Wir waren beide ziemlich hungrig. Als er um fünf nach vorne ging und die Tür öffnete, sagte er:
»Ab jetzt, Liska. Du hast drei Stunden für deine Arbeit.«
Ich nutzte die Zeit, um zu duschen und mich für den Abend zurechtzumachen. Anschließend ging ich noch einmal hinauf, trug den Tisch und die Schreibmaschine ins Schlafzimmer, dort war es angenehm warm. Als Heinz um halb acht kam, hatte ich sieben Seiten geschafft. Heinz klopfte kurz gegen die Tür, die ich so weit als möglich zugedrückt hatte. Béla hatte ihn hinaufgeschickt. Er kam herein, seine Miene war eine Mischung aus Grinsen und Unbehagen.
»Du hast ja eine überaus lebhafte Phantasie. Warum erzählst du ihm solch einen Quatsch? Hast du gedacht, er geht auf mich los, und ich verabreiche ihm eine Tracht Prügel?«
Sein Grinsen gewann die Oberhand.
»Oder war es kein Quatsch, hattest du Sehnsucht nach den alten Zeiten? Du hättest nur einen Ton sagen müssen, solange er noch unterwegs war.«
»Und dann?«
Immer noch grinsend schüttelte Heinz den Kopf.
»Kein und dann, Lisa. Die alten Zeiten sind vorbei. Du wolltest einen Mann für dich allein, jetzt hast du einen. Vielleicht nicht ganz für dich allein. Aber er geht aus deinem Bett nicht zu Frau und Kindern. Und weißt du, ich mag ihn. Ich käme nicht auf den Gedanken, ihm die Frau wegzunehmen. Das habe ich ihm auch gerade gesagt.«
»Spielverderber «, sagte ich. Béla hatte mir zwar nicht geglaubt, sich aber dennoch von Heinz bestätigen lassen, dass ich während der drei Wochen gelebt hatte wie eine Nonne.
»Er ist fremdgegangen «, sagte ich.
»Mit einer Frau.«
Wehgetan hatte es auch vorher, als ich es aussprach, versetzte es mir noch einmal einen gewaltigen Stich. Ganz ruhig, Lisa. Noch einmal langsam von vorne. Er hat dich betrogen, nicht zum ersten Mal. Bisher hat er dich mit einem Mann
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