Bélas Sünden
wieder auf die Couch und schaute mich an, nicht mehr gar so apathisch, wie mir schien. Da war etwas in ihrem Blick, ich hatte plötzlich die Worte von Heinz im Kopf.
»Meta hat neulich eine komische Andeutung gemacht.«
Meta machte immer nur komische Andeutungen. Für eine Weile vergaß ich, was ich in München getan, gesagt und zur Antwort bekommen hatte. Es war auch absurd gewesen, Dierk Römer zu verdächtigen.
»Wie war es denn bei dir, Lisa?«, erkundigte sich Meta scheinbar ohne jeden Zusammenhang.
»War es schön? Waren viele Leute da? Und haben alle dein Buch gelobt?«
Sie schluckte trocken, schaute wieder zu Offermann hin.
»Wissen Sie schon, dass sie ein Buch geschrieben hat? Es ist wirklich ein gutes Buch. Ich habe auch ein bisschen drin gelesen. Normalerweise lese ich nicht. Aber wo sie es geschrieben hat, da musste ich wenigstens mal reinsehen, hat mir gefallen. Vor allem diese eine Geschichte. Du weißt schon, welche ich meine, Lisa. Hast du ihnen die mal gezeigt? Das solltest du tun.«
Meta lächelte einen Hauch von Verlorenheit ins Zimmer und nickte gedankenversunken.
»Da liegen eine Frau und ihr Freund auf dem Bett«, erzählte sie. Ich hätte ihr liebend gerne den Mund zugehalten.
»Der Freund ist wütend, weil die Frau es nicht schafft, sich von ihrem Mann zu trennen. Er könnte sie dafür umbringen, sagt er. Und da fragt sie ihn: Warum mich? Können Sie sich vorstellen, wie es weitergeht?«
Ich glaube, sie war betrunken. Offermanns Kollege saß nur auf dem Stuhl. Er hatte bisher noch kein Wort gesagt. Offermann betrachtete Meta mit ausdrucksloser Miene. Ich konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Dann beugte er sich im Sessel vor, nachdem er mich mit einem undefinierbaren Blick gestreift hatte. So undefinierbar nun auch wieder nicht! Ich dachte, er könne Gedanken lesen. Aber er las an der falschen Stelle, viel zu weit vorne. Seine Stimme klang weich.
»Frau Böhring, hatte Ihr Mann ein Verhältnis mit Frau Szabo?«
Aufatmen oder im Boden versinken? Was fiel ihm denn ein? In meiner Gegenwart! Meta lachte kurz auf.
»Heinz und Lisa? Ja, sie hatten mal was miteinander, ziemlich lange sogar, sieben Jahre, davon fünf an einem Stück. In den letzten beiden hat Lisa öfter Schluss gemacht. Aber wenn sie sonst keinen fand, war Heinz wieder gut genug. Bis Béla auf der Bildfläche erschien, da hat sie Heinz einen Tritt gegeben. Ich hab’s nie verstanden. Heinz war nicht schlecht im Bett, wirklich nicht. Und ich hab mich nie eingemischt, hab sie in Ruhe gelassen. Ich hab damals zu ihm gesagt, du bist ein Trottel, wenn du dich abschieben lässt. Aber so war er. Er sagte, ich mag den Jungen. Seitdem sind sie gute Freunde, Heinz und Béla, Heinz und Lisa. Seitdem hat Lisa mit anderen Männern nichts mehr im Sinn.«
Auch sie redete, als ob ich nicht da wäre.
»Sie hat genug mit Béla zu tun. Der ist schon fast zu viel Mann für eine Frau. Vielleicht ist er mit den Jahren etwas ruhiger geworden, wenn ein Mann älter wird, lässt das ja auch nach. Aber bei Béla glaub ich’s nicht, und so alt ist er ja noch nicht mit seinen fünfunddreißig. Nein!«
Meta schüttelte den Kopf, sprach weiter, als krame sie in lieben, alten Erinnerungen:
»Lisa ist ausgelastet, die kann keinen zweiten gebrauchen. Béla und Bücher, was anderes hat sie nicht im Kopf.«
Ihre Finger zupften eine Feder aus dem Kissenbezug. Sie betrachtete die Feder und stieß einen langen Seufzer aus.
»Jetzt schreibt sie schon seit Monaten an einem neuen«, erklärte sie leise.
»Aber sie macht ein großes Geheimnis draus, will mir nicht sagen, worum es geht.«
Ihr Kopf kam ruckartig in die Höhe, ihre Pupillen waren klein wie Nadeln und genauso spitz.
»Warum nicht, Lisa? Was ist denn so schlimm an einem Roman, dass man nicht darüber reden kann? Ist doch alles nur erfunden. Oder nicht? Ist es diesmal eine wahre Geschichte?«
Sie schaute Offermann an, fühlte sich zu einer Erklärung verpflichtet:
»Das machen viele, hören oder sehen was und machen einen Roman draus. Aber bei Lisa kann ich mir das nicht vorstellen. Sie ist nicht der Typ, der andere Leute durch den Dreck zieht, um damit Geld zu verdienen. Oder, Lisa? Meinst du, wenn man die Namen ändert, macht es nicht mehr so viel aus?«
Der letzte Satz kam mit erstaunlicher Schärfe. Ihr Blick saugte sich an meinem Gesicht fest.
»Mich würde das wirklich mal interessieren, Lisa, wie du darüber denkst und worüber du gerade schreibst.«
Sie wusste es,
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