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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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der Stimme schwang noch das Schluchzen mit.
    »Was ist denn los, Mama?«
    Dann, hysterischer, was angesichts der Uhrzeit, der beiden fremden Männer und ihrer dienstlichen Mienen wohl berechtigt war:
    »Ist was mit Papa?«
    »Geh wieder ins Bett«, sagte Meta im Vorbeigehen. Es klang teilnahmslos und gleichzeitig drohend. Marion schloss die Tür tatsächlich wieder. Ich hörte sie laut aufschluchzen. Dann saßen wir zu viert im Wohnzimmer. Die Einrichtung war noch dieselbe wie vor achtzehn Jahren. Verwohnt, verschlissen, schäbig und armselig. Und ich saß da in einem Sessel mit dem Nerzmantel im Schoß. Das letzte Kapitel im neuen Roman:
    »Meine Putzfrau und ich!«
    Offermann saß im zweiten Sessel und betrachtete die Wetzspuren auf der Armlehne, die die Familienkatze dort im Laufe der Jahre hinterlassen hatte. Noch ein Beweis für die Feindseligkeit und den Kleinkrieg, der nicht mit Worten ausgetragen werden konnte, weil man sich irgendwann nichts mehr zu sagen hatte. Vor ein paar Jahren hatte Heinz sich einen Vogel gekauft, einen Beo. Ein äußerst redegewandter kleiner Komiker, er begrüßte jeden, der ins Zimmer kam. Und er sagte nicht einfach guten Tag, er erkundigte sich höflich:
    »Wie geht es Ihnen?«
    Antwortete auch gleich:
    »Danke, bestens.«
    Und dabei hüpfte er außen auf seinem Bauer herum, bewegte den Kopf, als ob er sich verbeugte. Außerdem kommentierte er die Werbespots im Fernsehen.
    »Was ’n Quatsch.«
    Man verstand ihn sehr gut. Heinz gab sich viel Mühe mit ihm, brachte ihm auch ein paar Sätze bei, die Meta nicht gefielen. Da fand Meta, dass die Kinder auch ein Tier brauchten, und holte einen ausgewachsenen Kater aus dem Tierheim. Heinz durfte es nicht mehr riskieren, den Vogel aus dem Bauer zu lassen. Aber der Beo war nicht daran gewöhnt, eingesperrt zu sein. Er zeterte und schimpfte von früh bis spät:
    »Was ’n Quatsch.«
    Heinz verschenkte ihn schließlich an einen Arbeitskollegen. Offermanns Kollege hatte sich einen Stuhl aus der Essecke geholt. Meta saß auf der Couch zwischen einem Kopfkissen und einer zurückgeschlagenen Wolldecke, ein Häufchen Elend, das anscheinend nicht begriff, worum es ging. Offermanns Blick schweifte von den Krallenspuren zu den Zeichen der Zerrüttung auf der Couch hinüber, als könnten ihm das Kopfkissen oder die Wolldecke den nötigen Aufschluss geben. Er begann noch rücksichtsvoll. Traurige Nachricht, müssen Ihnen leider mitteilen – und so weiter. Dann die ersten Fragen.
    »Er ist nochmal weggegangen«, sagte Meta.
    »So um Viertel vor acht. Wohin, hat er nicht gesagt, tut er nie. Muss er auch nicht. Ich will das gar nicht wissen.«
    Sie sprach so grau und verwaschen, wie ihr Nachthemd aussah.
    »Weggegangen?«, hakte Offermann nach.
    »In Strickjacke und Pantoffeln, bei dem Wetter?«
    Meta hob die Achseln.
    »Er wird das Auto genommen haben. Das kann man auch mit Pantoffeln fahren.«
    »Er hatte keinen Autoschlüssel bei sich«, sagte Offermann.
    »Auch keine anderen Schlüssel.«
    Meta ließ die Achseln sinken.
    »Vielleicht hat er ihn im Auto stecken lassen, das macht er oft. Die sind alle an einem Bund.«
    »Und Papiere?«, fragte Offermann.
    »Die lässt er immer im Auto.«
    Offermann war die Ruhe selbst. Ich bewunderte ihn. Ich hätte Meta schütteln können, bis ich die gesamte Lethargie aus ihr herausgeschüttelt hatte.
    »Er ist tot«, sagte ich.
    »Begreifst du das nicht? Heinz ist tot, er wurde erschossen.«
    Mir schwebte immer noch der Anblick vor Augen, sein blutiges Gesicht und die Löcher in seiner Brust. Meta nickte flüchtig.
    »Ich hab’s gehört, Lisa.«
    Offermann bedauerte, sie das fragen zu müssen, tat es aber trotzdem. Nach ihrer Reaktion musste das wohl auch sein.
    »Frau Böhring, wo waren Sie zwischen neun und zehn heute Abend?«
    »Hier«, sagte Meta und schaute ihm direkt ins Gesicht. Sie wusste genau, was die Frage bedeutete, presste kurz die Lippen aufeinander und erklärte:
    »Ich bin immer froh, wenn ich abends meine Ruhe habe. Ich gehe nie weg.«
    »Hat Ihr Mann den Schlüssel zur Wohnung Szabo mitgenommen, als er ging?«, bohrte Offermann weiter. Meta schüttelte den Kopf, gleichzeitig erklärte sie:
    »Da wäre er gar nicht rangekommen. Und da hatte er auch nichts zu tun.«
    »Ich würde den Schlüssel gerne sehen«, sagte, vielmehr verlangte Offermann. Meta erhob sich, schlurfte in die Küche, kam mit drei Schlüsseln zurück. Haustür, Lokal und Wohnung. Sie legte alle drei auf den Tisch, setzte sich

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