Bélas Sünden
wie zu Anfang, auch nicht mehr so traumverloren. Jetzt brach der Tiger durch. Wenn es um ihre Töchter ging, zeigte Meta die Krallen. Dass sie die für Marion zeigte, wunderte mich. Aber nur kurz, ich hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken, glaubte zu begreifen, was sich abgespielt hatte.
»Er war gar nicht hier«, hörte ich Gisela immer noch sagen. Natürlich nicht! Es war eine Ausrede gewesen, um Marion abzuwimmeln, die sonst vielleicht noch ein Weilchen geblieben wäre, weil die Kinovorstellung erst um acht begann.
»Manchmal denke ich«, flüsterte Heinz dicht neben mir,
»du hast überhaupt keine Ahnung…«
Doch, ich hatte eine, seit Wochen schon. Eine fürchterliche Ahnung, wer diesmal meine Rivalin war. Und von Heinz hatte ich das nicht erfahren, war selbst darauf gekommen. Langsam, Lisa, dachte ich, verlier jetzt nicht die Nerven. Dein Bett war benutzt! Sie waren in der Wohnung, Béla und seine neue Liebe, daran gibt es wohl nichts zu rütteln. Ruhetag, wahrscheinlich kam sie schon am Nachmittag. Sie ging unter die Dusche, öffnete das Fenster in deinem Bad, damit der Dunst abziehen konnte. Dann ging sie mit deinem Mann in dein Bett. Und plötzlich stand Marion mit den Sachen aus der Reinigung in der Diele. Sie hatte garantiert den Schlüssel bei sich und nicht klingeln müssen. Marion sah, wer bei Béla war. Anschließend ging sie zum Kino. Und dort traf sie sich vermutlich mit Heinz, der erst später zum Kino fuhr. Marion erzählte ihm… Weiter konnte ich nicht denken, weil nur noch ein Satz kam. Es ist vorbei. Aus und vorbei! Wir hatten viel überstanden, das konnten wir nicht überstehen, das nicht.
7. Kapitel
Und ich hatte geglaubt, nach Anita könne keine Krise mehr kommen, mit der wir nicht fertig würden. Als er damals zurückkam, sogar schneller als erwartet, vielleicht nicht ganz aus eigenem Antrieb, er hatte sich das wohl ganz anders vorgestellt, ein neues Leben mit Frau und Kind. Doch schon nach kurzer Zeit bekam Anita Sehnsucht nach ihren Kindern, nach dem pflegeleichten Herrn Ludwig, vermutlich auch nach dem Eigenheim. Es war nicht jedermanns Sache, sich mit der großen Leidenschaft in einem billigen Pensionszimmer einzuquartieren und dort stundenlang herumzusitzen, weil der Mann fürs Leben viel unterwegs war, um ein Lokal auszukundschaften, in dem die Gäste gerne ein bisschen Musik hören wollten. Das Geld auf dem Sparbuch würde nicht ewig reichen. Knapp zwei Wochen hielt Anita durch. Dann fiel ihr plötzlich ein, dass das dritte Kind nur von ihrem Mann sein konnte. Da war es Béla, der einen ausgeräumten Schrank und ein Zettelchen fand. Und dann stand er nachts neben unserem Bett. Verletzt, zerknirscht und voller Reue. Ich hatte eine hässliche Zeit hinter mir, in der mir nicht einmal mehr der Gedanke gekommen war, die Kneipe aufzugeben. Es war diesmal auch kein Stoff für eine Kurzgeschichte, keine Idee, das Elend und die Verzweiflung in Worte zu fassen und ein hübsches Honorar dafür zu kassieren. Völlig leer und tot im Kopf war ich und hohl hinter den Rippen. Ich hatte nur ein paar Mal flüchtig darüber nachgedacht, Anitas Kind aufzuziehen. Wenn Béla denn unbedingt ein eigenes haben musste. Es war halb vier in der Nacht, als er heimkam. Ich hatte ihn nicht kommen hören, erwachte, als er die Hände um mein Gesicht legte, war zu überrascht und hatte nicht die Kraft, wütend zu werden. Zuerst dachte ich, dass ich nur träumte, aber seine Küsse schmeckten nach Salz. Er weinte, ich hatte ihn noch nie weinen sehen. Ich schlang die Arme um seinen Nacken und hielt ihn fest, ließ mich küssen und streicheln, hörte sein Stammeln:
Beim Frühstück, Anita war ausnahmsweise einmal mit aufgestanden und hatte mitgeteilt, dass sie am Nachmittag die Kinder zu ihrer Mutter bringen und ihrem Gynäkologen einen Besuch abstatten wolle. Anita trug sich nämlich mit dem Verdacht einer Schwangerschaft. Und nun stellte sich die Frage, wer sie in diesen Zustand versetzt hatte. Ihr Mann oder meiner. Die Frage hätte ich Herrn Ludwig noch am selben Abend beantworten können. Da fand ich auch ein Briefchen, knapp gehalten und sauber formuliert. Béla teilte mir darin mit, dass er mir meine einsame Entscheidung nicht verzeihen könne. Dass Anita ein warmherziger Mensch sei und eine mütterliche Frau. Dass sie schwanger war, im zweiten Monat. Dass sie beide sich nach reiflichem Überlegen entschlossen hatten und so weiter. Das Geschäftskonto hatte er großzügigerweise nicht angerührt, nur
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