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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Lisa?«
    Ihr das zu erklären, war unmöglich. Sie hätte nicht gewusst, was das ist, ein Orgasmus. Meine Eltern sind liebe, einfache Menschen, die sich ihr Leben lang bemüht und sich nie mit unanständigen Dingen beschäftigt haben. Dass es mich gibt, muss ein Versehen sein, eine Laune der Natur, was weiß ich. Ist ja auch egal, jedenfalls nahm die Sache ihren Lauf.
    Sonja war ein Jahr alt, als ich zum Anwalt ging. Karl- Josef war tödlich beleidigt, und das halbe Dorf erklärte mich für verrückt. Vielleicht war ich das. Ich hätte keinem Menschen sagen können, was ich von meinem Leben erwartete. Das wusste ich damals selbst noch nicht. Es ging nicht nur darum, die Flöhe aus dem Bauch zu vertreiben. Es ging ums Ganze. Ich konnte nur aufzählen, was ich nicht wollte. Ein Haus im Garten der Schwiegereltern, einen Mann, der sich zu Tode schuftete, vermutlich mit vierzig den ersten Herzinfarkt bekam. Und irgendwann doch noch ein Verhältnis mit dem Frisör. Oder mit dem Bäcker, der sah auch nicht übel aus.
    Ein halbes Jahr blieb ich bei meinen Eltern. Mutter drängte auf Studium und Doktortitel, sie war gerne bereit, ihr Enkelkind zu versorgen. Vater fand, die Chance hätte ich verspielt. Um mir die Zeit zu vertreiben, machte ich den Führerschein und fuhr dann mit Vaters Wagen zu Abendkursen an der Volkshochschule. Das Englisch noch einmal aufgefrischt, ein Kurs in Maschineschreiben und einer in Literatur. Und der packte mich. Mutter verdrehte die Augen, als ich verkündete, ich wolle zu schreiben anfangen. Vater schüttelte den Kopf und erklärte:
    »Sieh lieber zu, dass du eine vernünftige Arbeit findest, damit du dem armen Jungen nicht ein Leben lang auf der Tasche liegst.«
    Für meinen Vater war eindeutig ich der schuldige Teil am Scheitern dieser Ehe. Vielleicht hatte er Recht. Man durfte wohl nicht voraussetzen, dass ein Mann wie Karl-Josef von Natur aus wusste, wie eine Frau geliebt werden wollte, oder dass er es irgendwann im Fußballverein, im Kirchenchor oder in der Schützenbruderschaft lernte.
    Nach dem halben Jahr und dem Volkshochschulkurs in Literatur fand ich eine Wohnung in der Stadt. Dann saß ich da. Mit einem Baby und sehr viel Zeit, in notdürftig eingerichteten zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad, Balkon.
    Karl-Josef zahlte natürlich Unterhalt. Er war ein pflichtbewusster Mensch und wollte sich nicht nachsagen lassen, dass er die Sünderin am ausgestreckten Arm verhungern oder gar das arme Kind für den Wahnsinn seiner Mutter büßen ließ.
    Das Geld brachte er Anfang des Monats persönlich vorbei. Peinliche Momente für mich, wenn er für eine Viertelstunde in meinem armseligen Wohnzimmer saß, Sonja auf dem Schoß, den Blick auf die Scheine gerichtet, die er mir auf den Tisch gelegt hatte. Achthundert Mark im Monat, ein netter Batzen für einen Irrtum. Er erzählte jedes Mal ausführlich, wie es ihm ging. Gut, ausgezeichnet. Er hatte sich rasch getröstet, dachte daran, sich bald wieder zu verheiraten. Inzwischen hatte er auch eingesehen, dass wir nicht zueinander passten. Was er brauchte, war kein Überflieger, sondern eine grundsolide, anständige Frau, die er eines Tages zur Mutter seiner Söhne und zur Schützenkönigin machen konnte. Wie es mir ging, fragte er nie. War auch besser, ich hätte ihn belügen müssen.
    Es ging mir beschissen. Noch ein Jahr nach der Scheidung hatte ich das Gefühl, vom Regen in die Traufe geraten zu sein. Ich war so furchtbar einsam. Es gab nicht einmal mehr Gespräche über Babynahrung oder Buttercremekuchen. Aus lauter Not fing ich an zu schreiben. Es war die einzige Möglichkeit, mit den eigenen Gefühlen fertig zu werden und die Zeit totzuschlagen.
    Sonja war ein friedliches Kind, das sich stundenlang alleine beschäftigen konnte. Mir war auch nicht danach, mich zu ihr auf den Boden zu setzen und aus bunten Holzklötzen hohe Türme zu bauen. Ich hielt mich lieber damit auf, den ergreifend profanen Aufstieg und Niedergang und die verrückten Träume der Lisa Müller zu Papier zu bringen.
    Abends ging ich mit einem dicken Wälzer ins Bett. Ich war Stammkundin in der Stadtbücherei, träumte von Romantik, von Leidenschaft und davon, dass mir der Held des jeweiligen Liebesromans über den Weg lief. Dass er mir tief in die Augen schaute und anschließend zeigte, was ein richtig guter Liebhaber ist. Und wenn ich nicht träumte, heulte ich mich in den Schlaf. Es war eine schlimme Zeit, in mir brodelte ein Gemisch aus Selbstmitleid und Frustration,

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