Bélas Sünden
hatte einmal im Monat ein freies Wochenende.
Ein Angebot meiner Mutter, die, kurz nachdem die Böhrings nebenan eingezogen waren, begriff, dass eine Frau in meinem Alter nicht nur von geregelten Mahlzeiten leben konnte. Jeweils am ersten Samstag im Monat holten meine Eltern am frühen Nachmittag Sonja zu sich und brachten sie mir am Sonntagabend zurück. Vielleicht hatte ich einmal zu oft von Heinz erzählt, und meine Mutter bekam es mit der Angst.
»Du kannst ja mal ins Kino gehen«, meinte sie.
Ich ging nicht ins Kino, auch sonst nirgendwohin, nutzte die Zeit, um Geschichten zu schreiben. Darin waren die Männer so, wie ich sie mir vorstellte. Gebildet, charmant, kultiviert und leidenschaftlich.
An dem Sonntagnachmittag im Februar kam Heinz zu mir, um zu fragen, ob er für die Gardinenwäsche nicht besser ein Feinwaschmittel nehmen sollte, leider hätten sie keins. Meta war kurz nach Mittag zur Bushaltestelle gegangen, um ihren Vater zu besuchen. Heinz blieb auf einen Kaffee, wir unterhielten uns. Er hatte schon viel von seinem Elan eingebüßt. Ich begriff nicht, was zwischen den beiden vorging und warum er sich das bieten ließ. Er gehörte nicht zu den Männern, die so etwas nur erzählten, um eine andere Frau ins Bett zu bekommen. Meta schlief nicht mehr mit ihm. Ein Problem mit der Schwangerschaft, hatte sie ihm erklärt. Darüber sprach er noch in der Art, die ich von ihm gewohnt war. Der verständnisvolle Ehemann und werdende Vater, der sich auf sein Kind freut und um Gottes willen nichts tun will, was ihm schaden könnte. Selbstdisziplin und eiserne Beherrschung, aber davon hatte er eine Menge. Das war das Erste, was sie einem beibrachten, wenn man Karate lernte. Es klang, als erkläre ein kleiner Junge, warum er vor dem Mittagessen kein Eis mehr haben darf.
An dem Sonntag im März sprachen wir darüber, dass es für eine Frau möglicherweise leichter sei, längere Zeit enthaltsam zu leben. Bei mir waren es inzwischen fast drei Jahre, und ich fand es nicht leicht. Vierzehn Tage später bekam Meta ihr Baby, etliche Wochen zu früh, ein Mädchen, das nur knapp vier Pfund wog und einige Zeit im Brutkasten liegen musste. Heinz fuhr jeden Tag in die Klinik. Meta saß daheim und langweilte sich oder besuchte ihren Vater. Nachts hörte ich sie oft streiten. Wenn in beiden Wohnungen die Türen der Badezimmer offen standen, war gut zu verstehen, was sie sagten. Heinz machte ihr Vorwürfe, weil sie das Baby nicht besuchte. Meta erklärte:
»Ich hab von Krankenhäusern die Nase voll.« Er schwärmte ihr vor, was für ein umwerfendes Gefühl es sei, die Hand in den Inkubator zu strecken und das hilflose Menschlein zu streicheln oder ihm einen Finger in die winzige Faust zu schieben.
»Sie greift danach und hält ihn fest«, hörte ich ihn oft sagen. Und Metas Antwort:
»Das sind nur Reflexe.« Ich wurde nicht klug aus ihr. Sie war freundlich, hilfsbereit und voller Widersprüche. Während der Schwangerschaft hatte sie mir oft von ihrem Beruf vorgeschwärmt. Wie wichtig es für eine Frau sei, finanziell unabhängig zu sein. Jetzt erzählte sie, sie hätte gekündigt.
»Ich bring das nicht mehr, den alten Säcken den Hintern zu waschen. Mir kommt das Kotzen, wenn ich sie nur sehe.«
Sie war auf der Männerstation tätig gewesen. Aber als Nachtschwester müsse sie doch niemanden waschen, dachte ich. Meta lachte über meine Naivität.
»Meinst du, die Frühschicht macht das alles allein? Da muss ich mit ran.« Als sie ihr Baby Anfang Mai heimholen konnte, machte Meta mir das Angebot, Sonja am Nachmittag zu betreuen.
»Nur mit der Kleinen ist mir das zu eintönig«, sagte sie. Und mich hatte man bereits mehrfach gefragt, ob ich nicht als Vollzeitkraft im Drogeriemarkt arbeiten wolle. Und im Juni schlief ich zum ersten Mal mit Heinz. Es wurde ein Verhältnis daraus, das sieben Jahre hielt. Es war weder die große Liebe noch die große Leidenschaft. Es war – ich weiß nicht, eine Art Notgemeinschaft. Der übliche Sonntagnachmittag, Sonja bei meinen Eltern, Meta bei ihrem Vater. Ich ging für eine kleine Unterhaltung nach nebenan. Heinz war gerade dabei, das Baby zu versorgen. Als er die Windeln öffnete, sah ich lauter kleine, blutige Krater in der zarten Haut. Die Kleine war entsetzlich wund. Während er sie wusch und vorsichtig eincremte, sagte er plötzlich:
»Ja, Lisa, so ist das, wenn aus einem Traum ein Albtraum wird.« Meta vernachlässigte nicht nur das Baby. Einmal hatte sie nach der Geburt mit ihm
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