Belial
zufrieden.
Einige Geldbündel stopfte er sich in die Seitentaschen. Geld bedeutete ihm zwar nichts, aber in der normalen Welt war es schon wichtig.
So ausgerüstet verließ er den Ort des Schreckens. Im Garten blieb er stehen und schaute in den mittlerweile dunkel gewordenen Himmel. Er hätte zufrieden sein können, sehr sogar.
Er war es nicht.
Irgend etwas störte ihn.
Etwas war anders…
Jemand war ihm auf der Spur.
Und das gefiel Belial überhaupt nicht…
***
Noch jemand hatte London erreicht, denn dieser Jemand war auf der Suche. Der Gerechte konnte es einfach nicht zulassen, daß jemand wie Belial die Stadt und damit auch deren Menschen unter seine Kontrolle brachte. Raniel war der Gerechte, und diesen Namen trug er nicht umsonst. Es widerstrebte einfach seinem Gefühl nach Gerechtigkeit, dieses zuzulassen, und er würde die entsprechenden Gegenmaßnahmen einleiten, das stand für ihn fest. Im Prinzip hatte er mit der Menschheit nicht viel am Hut, denn er gehörte nur zur Hälfte zu ihnen.
Trotzdem mußte er sich auf der anderen Seite stellen, denn das hatte er schon immer getan. Raniel ging dabei den Weg des Rächers.
Er nahm auf keine menschlichen Gesetze Rücksicht, er vernichtete seine Feinde, bevor sie noch mehr Schaden anrichten konnten. Das hatte er mehr als einmal bewiesen, unter anderem in einer Schule, die von einem Psychopathen gestürmt worden war.
Der Kerl hatte die Kinder, die Lehrer und auch die Schule abfackeln wollen, aber Raniel hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und dabei so gehandelt, wie er es für richtig hielt.
Damals hatte er John Sinclair, den Geisterjäger, kennengelernt und hatte erfahren müssen, daß es auch Menschen gab, die so ähnlich dachten wie er. Nur hielten sich Sinclair und seine Freunde an die Gesetze, die eben von den Menschen gemacht worden waren, um ein mehr oder weniger friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.
Für ihn war das nichts.
Er ging seinen Weg, und das hatte er auch seinem Sohn Elohim eingeimpft, einem Jungen, der erst allmählich gemerkt hatte, welche Vergangenheit auf ihm lastete.
Elohim war nicht mit ihm gekommen. Auf dieser Rachetour wollte sich der Gerechte einzig und allein auf sich selbst verlassen. Etwas anderes kam nicht in Frage.
Er wußte, daß Belial London erreicht hatte. Er hatte eine gewisse Spur hinterlassen, die Raniel sehr genau erkannte. Er wußte, welchen Weg er zu gehen hatte, und er würde ihn gehen. Bis zum Ziel.
Die Aura des anderen war da, aber sie wurde schwächer. Dabei war sie vor kurzem noch überdeutlich gewesen. Nun verlor sie sich wie ein Hauch im Wind.
Raniel stand dort, wo er die Spur verloren hatte. Ein Gartengelände umgab ihn, eingepackt in die Dunkelheit des Abends, der allmählich der anbrechenden Nacht entgegenlief.
Der Himmel war nicht völlig dunkel. Zu stark strahlte die Stadt noch ab und schickte ihre künstlichen Lichtreflexe in die Höhe.
Raniel schritt lautlos durch das Gelände. Eine dunkle Gestalt, deren langer Mantel im Wind wehte. Sie sah aus wie ein düsterer Vampir, der seine Gruft verlassen hatte und auf Blut wartete.
Plötzlich sah er den Schein. Licht sickerte aus einem Fenster. Es war relativ schwach, und wer es sehen wollte, mußte schon genau hinschauen. Raniel hatte hingeschaut, er bewegte sich auf das Licht zu.
Sehr bald stand er vor dem kompakten Umriß einer gemauerten Laube.
Hinter ihr ragten die kahlen Zweige irgendwelcher Obstbäume in die Höhe.
Raniel schritt auf den Eingang zu. Sehr bald schon sah er die Gestalt bewegungslos am Boden liegen.
Er bückte sich.
Vor ihm lag ein Toter.
Raniel nickte nur, drehte sich und sah die aufgebrochene Tür. Das Licht der Kerzen strahlte ihm weich entgegen, und dennoch war es von der Kälte des Todes durchdrungen, die der Gerechte wie einen eisigen Hauch bemerkte.
Er betrat die Laube, und nach dem zweiten Schritt verkanteten seine Gesichtszüge noch stärker.
Die Frau war tot, der Mann ebenfalls. Zwischen den beiden Leichen stand der Rucksack mit dem Geld. Raniel ging davon aus, daß es geraubt war.
Belial hatte gezeigt, wozu er fähig war. Er war unberechenbar, denn er verbreitete nicht nur seine Lügen, er tötete auch aus reiner Lust.
O ja, er gehörte zum engsten Kreis des absolut Bösen. Luzifer würde mit ihm zufrieden sein, sehr zufrieden sogar.
Raniel drehte sich um.
Hier konnte er nichts mehr tun. Er war einfach zu spät gekommen. Aber hätte es etwas genutzt, wenn er pünktlich gewesen wäre? Dann
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