Belials Braut
nicht, denn beim Näherkommen vernahm ich die leisen Atemzüge des Mannes.
Ich sah auch, wie er sich etwas bewegte und manchmal sogar zusammenzuckte, als wäre er von einem Traum aufgeschreckt worden. Dicht vor ihm blieb ich stehen. Seine Hände lagen im Schoß. Erst jetzt fiel mir auf, dass die blassen Finger ein Kreuz umklammert hielten. Es war ein einfaches Holzkreuz, aber er umklammerte es so fest wie einen letzten Rettungsanker. Möglicherweise hatte es ihm auch das Leben gerettet.
Der Mann schlief sehr fest, denn auch beim ersten Anstoßen tat sich kaum etwas. Er brummte etwas vor sich hin, schlief jedoch weiter. Mich überfiel wieder ein Niesanfall. Und dieses explosionsartige Geräusch ließ ihn erwachen. Er schreckte plötzlich in die Höhe. Sein Gesichtsausdruck zeigte maßloses Erstaunen, aber er war nicht in der Lage, die Dinge zu begreifen.
Das Kreuz hatte sich aus seinen Händen gelöst. Mit ihnen umklammerte er jetzt die beiden dicken Lehnen und fand so richtigen Halt.
Er starrte mich an. Ich wich dem Blick nicht aus. Das musste Pfarrer Dominik sein, und ich sah, dass er blassblaue Augen hatte, die in einer Tränenflüssigkeit schwammen. Im Gesicht zeichnete sich die große gebogene Nase ab. Der Mund war dünn. Seine Lippen zitterten. Es hörte auch nicht auf, als ich den Mann anlächelte und mit leiser Stimme fragte:
»Sind Sie Pfarrer Dominik?«
»Ja, bin ich.«
»Ich heiße John Sinclair!«
Danach gab ich ihm Ruhe. Er sollte zunächst mit diesem Wissen zurechtkommen, und es dauerte, bis er sich darauf eingestellt hatte. Mühsam hob er den Kopf. Er zwinkerte, dann sagte er mit leiser Stimme: »Sie sind ja ganz nass.«
»Ein kleines Malheur.«
»Bitte, Sie müssen sich abtrocknen. Auf der Couch liegt eine Decke. Die können Sie über Ihren Körper hängen.«
»Danke.« Seine Fürsorglichkeit berührte mich. Aber er hatte Recht. Es war wichtig, dass ich meine nasse Kleidung bedeckte. Die Decke war groß genug, um mir bis zu den Waden zu reichen. Neben dem Sessel hatte der Pfarrer eine Wasserflasche stehen. Er drehte den Verschluss auf und trank. Das Gluckern war das einzige Geräusch, das ich in dieser Stille hörte.
»Sie brauchen einen Schnaps.«
»Könnte ich vertragen.«
»Im Eckschrank dort steht Wacholder.«
»Danke.« Auch wenn ich kein großer Gin-Freund war, in diesem Fall würde mir der Schluck gut tun.
Ich öffnete die Schranktür, fand die Flasche und auch die entsprechenden Gläser.
»Schenken Sie mir auch einen ein, Mr. Sinclair. Ich bin ja so froh, dass Sie gekommen sind. Und entschuldigen Sie, dass ich eingeschlafen bin. Aber das ist bei alten Menschen eben so.«
»Wie alt sind Sie denn?«
»Achtzig.«
»Oh.«
»Jetzt sagen Sie mir nur nicht, Sie sehen jünger aus. Das stimmt nicht. Meine Augen sind noch recht gut. Da brauche ich nur in den Spiegel zu schauen, um das zu erkennen.«
Ich stellte die Flasche und die beiden Gläser auf einen Tisch, um in Ruhe einschenken zu können.
Es waren nicht eben die kleinsten Gläser. Ich drückte eines dem Pfarrer in die Hand. Er lächelte. »Danke, der Gin kann manchmal wie Medizin sein. Auf uns und darauf, dass wir die Hölle überstehen, die sich zum Angriff entschlossen hat.«
Einen derartigen Trinkspruch hatte ich noch nie gehört. Ich ging davon aus, dass Dominik seine Gründe hatte. Er leerte sein Glas bis zum letzten Tropfen, schüttelte sich und stellte es weg.
»Ja, das hat wirklich gut getan. Das... das... habe ich jetzt gebraucht.«
Auch mir hatte der Schluck gut getan, weil er mich auch richtig durchwärmte.
»Wollen Sie noch ein Glas trinken, Mr. Sinclair?«
»Nein, danke. Deshalb bin ich auch nicht zu Ihnen gekommen.« Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich. »Ich denke, wir sollten über die eigentlichen Probleme sprechen.«
»Ja«, sagte er und nickte. »Das haben Sie schon Recht. »Die Probleme sind nicht nur wichtig, sie sind lebenswichtig. Vieles hat sich geändert.« Er nahm sein Kreuz und hielt es hoch. »Sehr viel sogar. Ich bin schon Jahrzehnte über Priester, und ich werde es bis zu meinem Tod bleiben. Es hat schon immer die Angriffe der anderen Seite gegeben, aber nicht so schlimm wie jetzt. Verstehen Sie?«
»Noch nicht richtig.«
»Das müssen Sie aber, Mr. Sinclair. Ich habe mit Father Ignatius gesprochen. Wir kennen uns von früher her. Ich weiß, welcher Arbeit er jetzt nachgeht. So ganz sind die alten Kontakte bei ihm zu Freunden nicht abgerissen, und ich kann mich noch immer auf
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