Belisla Piraten 01: Piratenjunge
diesen Rempelaktionen.
Johannes ließ sich von seinem Freund zurückziehen. »Trotzdem soll er dich nicht so nennen, du kannst dich ja nicht wehren.«
»Ich werde mich wehren, wenn ich in zwanzig Jahren Bundeskanzler bin und er sein Arbeitslosengeld haben möchte. ‚Tut mir leid, aber Bundeskanzler Schneider hat sie ausdrücklich von der Zahlung ausgenommen und extra ein Schulhofrüpel-Spätfolgen-Gesetz erlassen‘.«
Johannes musste lachen. Richard der Dritte war zwar zwei Jahre jünger als er, hatte aber zwei Klassen übersprungen, um direkt von der zweiten in die fünfte zu gehen. Der Klassenlehrer hatte zwei Wochen nach Schulbeginn Richard in die Klasse geschoben, ihn vorgestellt und erklärt: »Richard ist zwar unten rum gelähmt, dafür aber oben rum schlauer als alle von euch zusammen. Wir lassen ihn so lange in der Klasse, bis er nichts mehr lernt.« Und tatsächlich war Richard mit Abstand der Beste in der Klasse.
»Was passiert, wenn du nichts mehr lernst in der fünften Klasse?«, hatte Johannes damals neugierig gefragt.
»Mein Kopf bekommt Überdruck und explodiert - Gehirnmasse, Blut, Gewebe und Rotz überall«, hatte Richard todernst erwidert und war in schallendes Gelächter ausgebrochen, als Johannes einen Schritt zurück gemacht hatte. »Keine Angst, ich werde damit warten, bis ich die nächste Klasse überspringe.«
Johannes und Richard waren so gut wie unzertrennlich. Richard hatte zwar Schwierigkeiten Johannes zu Hause zu besuchen, da die Gordon-Wohnung in der dritten Etage lag und keinen Lift hatte. Aber sie trafen sich entweder auf dem Rossmarkt im Eiscafé oder bei Richard, dessen Eltern einen ebenerdigen Lebensmittelladen hatten, woran die Wohnung direkt anschloss. In der kleinen Backcafé-Ecke saßen sie oft und machten Hausaufgaben oder sprachen über Computerspiele.
Als es dann nach der fünften Klasse darum gegangen war, erneut eine Klasse zu überspringen, hatte sich Richard zum Erstaunen von Eltern und Lehrern entschlossen, ganz normal in die sechste Klasse zu gehen - Unterforderung und alles inklusive. »Ich fühle mich das erste Mal wohl in einer Klasse, mein bester Freund Johannes ist dort, wegen so ein paar Intelligenzpunkten, die ja nicht davonlaufen, muss ich das nicht aufgeben, oder?« Was konnten die Erwachsenen dagegen schon sagen. Und nun waren beide in der achten Klasse. Noch.
Der letzte Tag vor den Ferien begann schlecht. Johannes drehte seine Mathe-Arbeit umgekehrt auf den Tisch - er musste nicht dauernd an diese glatte Fünf erinnert werden. »Mist, wieso check ich das nicht? Dabei hast du mir das acht Mal erklärt und beim Üben letzte Woche war das gegangen!«
Richard nahm die Blätter, warf einen kurzen Blick auf die Wissenslücken seines Freundes und meinte trocken: »Statt zu träumen vielleicht etwas mehr konzentrieren. Die Hälfte der Fehler waren reine Abschreibefehler von dir.«
»Jetzt kritisiere hier nicht meine guten Augen«, meinte Johannes. »Und die andere Hälfte?«
»Absolute Strohdummheit. Du bist halt nicht für Mathe verdrahtet.«
»Und für Physik und für Chemie und für den meisten Rest der Fächer. Schade, dass Kunst und Sport keine Hauptfächer sind.«
»Die Absenz meiner spitzen Bemerkungen erhält unsere Freundschaft.«
Johannes war echt frustriert und verärgert über die Zensuren, die Lehrer und sich selbst. Wenn das so weiterging mit dem Schuljahr, durfte er die achte Klasse wiederholen. Richard würde bestimmt nicht wiederholen, Freundschaft hin oder her, aber es gab Grenzen.
»Was wirst du in den Herbstferien machen?«, fragte Johannes als er einpackte.
Richard zuckte mit den Schultern. »Meine Eltern müssen ja arbeiten. Ich werde mich an der Universität in ein paar Vorlesungen zur Teilchenphysik setzen.« Wegen seiner Begabung hatte Richard eine Art Freifahrtschein für die Universität, wo er beliebige Vorlesungen besuchen durfte.
»Du und dein Lernen! Willst du nicht mal raus in die Welt?«
»Meine Welt ist hier oben im Kopf.« Richard tippte sich an die Stirn. »Durch den Rollstuhl kann ich ja nicht auf Karibikstränden fahren, auf Booten segeln oder zwischen Korallenriffen tauchen. Aber ich kann alles erlesen und Bildbände studieren.«
»Ob das so das gleiche ist?« Johannes sah seinen Freund skeptisch an.
»Kein schlechtes Gewissen. Wir haben beide unser Schicksal. Ich meine Beine und du dein Mathe. Genieß deine Ferien. Und lass dich nicht von deiner Schwester zu sehr ärgern.«
»Irgendwann
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