Bella und Edward, Band 4: Biss zum Ende der Nacht
Geräusche der anderen, die jetzt wieder atmeten wie ich. Ihr Atem mischte sich mit dem Honig-Flieder-Sonnenduft und neue Gerüche kamen hinzu. Zimt, Hyazinthe, Birne, Meerwasser, Brotteig, Kiefer, Vanille, Leder, Apfel, Moos, Lavendel, Schokolade ⦠zahllose Vergleiche stellte ich an, doch keiner traf es ganz genau. So süà und angenehm.
Der Fernseher unten war jetzt stumm und ich hörte, wie jemand â Rosalie? â das Gewicht verlagerte.
Ich hörte auch ein schwaches Pochen und eine Stimme, die dazu wütend rief. Ein Rapsong? Einen Moment war ich verwirrt, dann verschwand das Geräusch wie ein vorüberfahrendes Auto mit heruntergelassenen Scheiben.
Schlagartig wurde mir klar, dass es genau das gewesen sein konnte. Reichte mein Gehör etwa bis zur SchnellstraÃe?
Ich merkte nicht, dass jemand meine Hand hielt, bis derjenige sie leicht drückte. Mein Körper wurde wieder starr wie vorhin, als ich den Schmerz verbergen wollte, diesmal jedoch vor Ãberraschung. Mit einer solchen Berührung hatte ich nicht gerechnet. Die Haut war vollkommen glatt, aber sie hatte die falsche Temperatur. Sie war nicht kalt.
Nach der ersten Schrecksekunde reagierte mein Körper auf die fremde Berührung derart, dass ich noch mehr erschrak.
In meiner Kehle zischte es, ein Fauchen entfuhr mir durch diezusammengebissenen Zähne, begleitet von einem leisen, drohenden Geräusch, das sich anhörte wie ein Bienenschwarm. Bevor das Geräusch heraus war, hatten meine Muskeln sich zusammengezogen, sie zuckten vor dem Unbekannten zurück. Ich wirbelte so schnell hoch, dass das Zimmer eigentlich hätte verschwimmen müssen â aber das tat es nicht. Mikroskopisch genau sah ich jedes Staubpartikel, jeden Splitter in den vertäfelten Wänden, jeden losen Faden, als mein Blick daran vorbeisauste.
Als ich schlieÃlich in Abwehrhaltung an der Wand kauerte â etwa eine sechzehntel Sekunde später â, war mir schon klar, was mich erschreckt hatte und dass ich überreagiert hatte.
Ach so. Natürlich. Edward fühlte sich nicht mehr kalt an. Wir hatten jetzt die gleiche Körpertemperatur.
Ich blieb noch eine achtel Sekunde in dieser Stellung und lieà das Bild, das sich mir bot, auf mich wirken.
Edward war über den Operationstisch gebeugt, der mein Scheiterhaufen gewesen war, er streckte mit besorgter Miene eine Hand nach mir aus.
Edwards Gesicht war das Wichtigste, doch am Rande meines Blickfelds nahm ich alles andere ebenfalls wahr, sicherheitshalber. Ein Verteidigungsinstinkt war in mir ausgelöst worden, und ich suchte ganz automatisch nach Anzeichen für Gefahr.
Meine Vampirfamilie wartete vorsichtig an der Wand gegenüber, neben der Tür, Emmett und Jasper standen vorn. Als ob tatsächlich Gefahr drohte. Meine Nasenlöcher blähten sich, ich versuchte die Gefahr zu wittern. Doch ich roch nichts Ungewöhnliches. Der schwache Duft von etwas Köstlichem â vermischt mit scharfen Chemikalien â kitzelte wieder in meiner Kehle, lieà sie schmerzen und brennen.
Alice lugte mit einem breiten Grinsen hinter Jaspers Ellbogenhervor; das Licht glitzerte auf ihren Zähnen, noch ein achtfarbiger Regenbogen.
Das Grinsen beruhigte mich und ich begriff. Jasper und Emmett standen vorn, um die anderen zu beschützen, wie ich ganz richtig vermutet hatte. Ich hatte nur nicht gleich kapiert, dass ich die Gefahr war.
All das lief nebenbei ab. Hauptsächlich waren meine Sinne und meine Gedanken immer noch auf Edwards Gesicht konzentriert.
Bis zu diesem Moment hatte ich es nicht gesehen.
Wie oft hatte ich Edward angestarrt und seine Schönheit bewundert? Wie viele Stunden â Tage, Wochen â meines Lebens hatte ich von dem geträumt, was ich damals für vollkommen hielt? Ich glaubte sein Gesicht besser zu kennen als mein eigenes. Ich dachte, das sei die eine unveränderliche Gewissheit in meiner Welt: die Makellosigkeit von Edwards Gesicht.
Ich hätte ebenso gut blind sein können.
Jetzt war mein Blick von den trübenden Schatten und der Schwäche befreit, die den Menschen Grenzen setzt, und ich sah sein Gesicht zum ersten Mal. Ich schnappte nach Luft und durchforstete meinen Sprachschatz, es war unmöglich, die richtigen Worte zu finden. Ich brauchte bessere Worte.
Inzwischen hatte der andere Teil meiner Aufmerksamkeit sich vergewissert, dass es auÃer mir keine Gefahr gab, und
Weitere Kostenlose Bücher