Bella und Edward, Band 4: Biss zum Ende der Nacht
war besorgt wie wir alle. Doch sie war nur besorgt. Soweit ich sehen konnte, hatte Jacob das Schlimmste von ihr ferngehalten. Dass wir keine Hoffnung hatten, dass wir in einem Monat alle sterben würden.
Sie entschied sich für Aliceâ Gesicht, sehnsüchtig und verwirrt. Wo war Alice?
»Ich weià es nicht«, flüsterte ich. »Aber sie ist Alice. Sie tut schon das Richtige, wie immer.«
Jedenfalls das Richtige für Alice. Ich fand es schrecklich, so über sie zu denken, aber wie sollte man die Situation sonst verstehen?
»Ich vermisse sie auch.«
Ich merkte, wie mein Gesicht nach dem Ausdruck suchte, der zu dem Kummer in meinem Innern passte. Meine Augen fühlten sich merkwürdig und trocken an, ich musste blinzeln, weil es so unangenehm war. Ich biss mir auf die Lippe. Beim nächsten Atemzug stockte die Luft in meiner Kehle, als würde ich daran ersticken.
Renesmee wich zurück, um mich anzuschauen, und ich sah mein Gesicht in ihren Gedanken und Gefühlen gespiegelt. Ich sah so aus wie Esme heute Morgen.
So fühlte es sich also an, wenn man weinte.
Renesmees Augen glitzerten feucht, als sie mein Gesicht betrachtete. Sie streichelte mein Gesicht, zeigte mir nichts, versuchte nur mich zu trösten.
Ich hätte nie gedacht, dass sich das Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen uns einmal umkehren würde, so wie es bei Renée und mir war. Aber ich hatte auch keine sehr genaue Vorstellung von der Zukunft gehabt.
Eine Träne stahl sich in Renesmees Augenwinkel. Ich küsste sie weg. Erstaunt fasste sie sich ans Auge und schaute auf ihre nasse Fingerspitze.
»Nicht weinen«, sagte ich. »Es wird alles gut. Dir wird nichts passieren. Ich werde einen Weg für dich finden.«
Wenn ich schon nichts anderes tun konnte, so konnte ich wenigstens meine Renesmee retten. Ich war jetzt überzeugt, dass Alice mir das geben wollte. Sie wusste Bescheid. Sie hatte mir einen Weg offengelassen.
U nwiderstehlich
Es gab so viel zu bedenken.
Wie sollte ich eine Gelegenheit finden, J. Jenks allein aufzuspüren, und weshalb wollte Alice, dass ich von ihm wusste?
Was konnte ich tun, um meine Tochter zu retten, falls Aliceâ Hinweis doch nichts mit Renesmee zu tun hatte?
Wie sollten Edward und ich Tanya und ihrer Familie am nächsten Morgen alles erklären? Wenn sie nun genauso reagierten wie Irina? Wenn es zu einem Kampf kam?
Ich wusste nicht, wie man kämpfte. Wie sollte ich es in nur einem Monat lernen? Konnten die anderen mir das in der kurzen Zeit überhaupt so beibringen, dass ich für irgendeinen der Volturi eine Gefahr darstellte? Oder war ich zu völliger Nutzlosigkeit verdammt? Nur eine weitere Neugeborene, die man leicht erledigen konnte?
So viele Antworten brauchte ich, aber ich hatte keine Gelegenheit, meine Fragen zu stellen.
Weil ich für Renesmee eine gewisse Normalität bewahren wollte, bestand ich darauf, sie zur Schlafenszeit zu unserem Häuschen zu bringen. Jacob fühlte sich jetzt wohler in Wolfsgestalt, er konnte den Stress leichter ertragen, wenn er kampfbereit war. Ich hätte mich auch gern so gefühlt, bereit. Er rannte in den Wald, er musste schon wieder Wache schieben.
Als Renesmee tief und fest schlief, legte ich sie in ihr Bettchen, dann ging ich ins Wohnzimmer, um Edward meine Fragen zu stellen. Jedenfalls die Fragen, die ich stellen konnte; das Schwierigste war, etwas vor ihm zu verbergen, selbst mit dem Vorteil, dass er meine Gedanken nicht lesen konnte.
Er stand mit dem Rücken zu mir und starrte ins Feuer.
»Edward, ich â¦Â«
Er wirbelte herum und war im Bruchteil einer Sekunde bei mir. Ich sah nur noch seinen leidenschaftlichen Gesichtsausdruck, ehe er die Lippen auf meine presste und seine Arme sich wie Stahlträger um mich schlossen.
In dieser Nacht dachte ich nicht mehr an meine Fragen. Ich hatte die Gründe für seine Stimmung schnell erfasst, und noch schneller war ich in derselben Stimmung.
Ich hatte mir vorgestellt, dass ich Jahre brauchen würde, um die überwältigende Leidenschaft, die ich für ihn empfand, irgendwie in den Griff zu bekommen. Und danach wollte ich sie dann jahrhundertelang genieÃen. Wenn uns nur noch ein Monat blieb ⦠Ich wusste nicht, wie ich den Gedanken an das Ende ertragen sollte. Im Moment konnte ich mich nicht dagegen wehren, ich wollte einfach nur egoistisch sein. Ich wollte ihn nur so innig wie möglich lieben in der
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