Belladonna
behalten Sie im Hinterkopf, was ich gesagt habe.» Er ordnete die Papiere auf dem Pult zu einem Stapel. «Wenn Sie auf jemanden stoßen, den wir uns näher ansehen sollten, möchte ich über Funk informiert werden.
Ich möchte nicht, dass ein Verdächtiger im Gewahrsam unglücklich zu Fall kommt oder dass einem von ihnen ganz aus Versehen der Kopf weggepustet wird.»
Jeffrey war bei diesen letzten Worten sorgfältig darauf bedacht, Saras Blick auszuweichen. Jeffrey war Cop und wusste, wie es auf der Straße zuging. Er wusste, dass jeder in diesem Raum, was Sibyl Adams betraf, etwas beweisen wollte. Er wusste auch, wie schnell die Grenzlinie zwischen Gesetz und menschlich allzu menschlichem Gerechtigkeitssinn
überschritten war, wenn man sozusagen an der Front war und einer Bestie in die Augen sehen musste, die es fertig gebracht hatte, eine blinde Frau zu vergewaltigen und ihr ein Kreuz in den Bauch zu schlitzen.
«Ist das klar?», fragte er. Eine Antwort erwartete er nicht, und er bekam auch keine. «Dann übergebe ich jetzt das Wort an Doktor Linton.»
Er ging nach hinten und stellte sich rechts hinter Lena. Sara trat aufs Podium, ging zur Wandtafel, griff nach oben und zog die weiße Projektionsleinwand herunter. Die meisten Männer im Raum hatten sie bereits in Windeln gekannt, und die Tatsache,
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dass alle ihre Notizbücher aufgeschlagen hatten, sprach Bände über Saras Anerkennung als Profi.
Sie nickte Brad Stephens zu, und es wurde dunkel im Raum.
Der stumpfgrüne Projektor sprang surrend an und schickte einen grellen Lichtblitz auf die Leinwand. Sara legte ein Foto auf die Unterlage und schob es unter das Glas.
«Sibyl Adams wurde gestern gegen vierzehn Uhr dreißig auf der Damentoilette des Filling Station von mir gefunden», sagte sie und stellte die Schärfe am Objektiv ein.
Unruhe entstand im Raum, als das Polaroid der teilweise unbekleideten Sibyl Adams auf dem Fußboden der Toilette sichtbar wurde. Jeffrey merkte, dass er auf das Loch in ihrer Brust starrte und sich fragte, was das nur für ein Mann gewesen sein mochte, der zu dem fähig war, was der armen jungen Frau angetan worden war. Er wollte nicht an die blinde Sibyl Adams denken, die auf der Toilette gesessen hatte, als der Angreifer sie aufgeschlitzt hatte, angetrieben von seiner kranken Lust. Er wollte nicht darüber nachdenken, was ihr durch den Kopf gegangen sein musste, als ihr Unterleib geschändet wurde.
Sara fuhr fort: «Sie saß auf der Toilette, als ich die Tür öffnete. Ihre Arme und Beine waren gespreizt, und die Schnittwunde, die Sie hier sehen» - sie deutete auf die Leinwand
-, «blutete extrem stark.»
Jeffrey beugte sich ein wenig vor, um zu sehen, wie Lena reagierte. Sie stand regungslos und kerzengerade da. Er verstand, warum sie das hier tun musste, aber konnte sich nicht erklären, wie sie es schaffte. Wenn einem seiner
Familienmitglieder so etwas geschehen wäre, wenn man Sara so fürchterlich zugerichtet hätte, dann hätte er es nicht so genau wissen wollen. Er hätte es nicht erfahren wollen, das wusste Jeffrey ganz tief in seinem Inneren. Er hätte es nicht erfahren dürfen.
Sara stand an der Stirnseite des Raums, die Arme über der
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Brust gekreuzt. «Kurz nachdem ich festgestellt hatte, dass sie noch einen Puls hatte, begann sie zu krampfen. Wir stürzten zu Boden. Ich versuchte, die Krampfanfälle unter Kontrolle zu bringen, aber einige Sekunden später starb sie.»
Mit einem Ruck zog Sara den Schuber heraus, um ein anderes Foto einzulegen. Das Gerät war aus grauer Vorzeit und ausgeborgt von der High School. Die Fotos vom Schauplatz des Verbrechens konnte Sara schließlich nicht zum Fotoladen an der Ecke bringen und vergrößern lassen.
Das nächste Bild war eine Nahaufnahme von Sibyl Adams'
Gesicht und Hals. «Die Quetschung unter dem Auge wurde ihr von oben zugefügt, wahrscheinlich schon zu Beginn des tätlichen Angriffs, um die Abwehr zu beeinträchtigen. Ein Messer wurde ihr an die Kehle gehalten, sehr scharf, ungefähr fünfzehn Zentimeter lang. Ich würde sagen, es handelte sich um ein Ausbeinmesser, wie man es in so gut wie jeder Küche findet.
Sie können hier einen leichten Schnitt erkennen.» Sie fuhr mit dem Finger über die Leinwand, über die Mitte von Sibyls Hals.
«Das führte zwar nicht zu einer Blutung, aber der Druck reichte, um die Haut zu ritzen.» Sie blickte zu Jeffrey auf, und ihre Blicke trafen sich. «Ich vermute, dass er das Messer benutzt hat, damit sie
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