Belladonna
sie auf dem Fußboden. Hatte 'n Kleid an, das aussah wie ein Baumwollsack.» Er zuckte die Achseln. «War ganz zerrissen.»
«Hatte er sie vergewaltigt?»
Frank zuckte wieder die Achseln. «Sie wollte keine Anzeige machen.»
Jeffrey ging weiter. «Weiß sonst noch jemand davon?»
«Matt», sagte Frank. «Er war damals mein Partner.»
Ihm war beklommen zumute, als er die Tür zum Diner
öffnete.
«Wir haben geschlossen», rief Pete von hinten.
Jeffrey sagte: «Ich bin's - Jeffrey.»
Er kam aus dem Vorratsraum und wischte sich die Hände an der Schürze ab. «He, Jeffrey», sagte er, ihnen zunickend. Dann:
«Frank.»
«Heute Nachmittag müssten wir eigentlich hier fertig sein, Pete», sagte Jeffrey. «Morgen können Sie dann wieder öffnen.»
«Ich mach für den Rest der Woche zu», sagte Pete und band
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einen neuen Knoten in seine Schürzenbänder. «Kommt mir irgendwie nicht richtig vor aufzuhaben, wegen dem mit Sibyl und so.» Er deutete auf die Reihe Hocker vo r der Theke. «Kann ich Ihnen Kaffee bringen?»
«Das wär nett», sagte Jeffrey und nahm den ersten Hocker.
Frank setzte sich daneben.
Jeffrey sah zu, wie Pete um die Theke herumging und drei dicke Keramikbecher hervorholte. Der Kaffee dampfte, als Pete einschenkte.
«Haben Sie schon was?», fragte er.
Jeffrey hob einen der Becher. «Könnten Sie mal schildern, was gestern passiert ist? Ich mein, von dem Augenblick an, als Sibyl Adams ins Restaurant kam.»
Pete verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Grill.
«Ich glaube, sie kam so gegen halb zwei», sagte er. «Sie kam immer erst, wenn der größte Mittagsandrang vorüber war. Ich denk mal, sie mochte nicht vor all den Leuten mit ihrem Stock herumtapsen. Ich mein, klar, wir wussten alle, dass sie blind war, aber sie wollte nicht, dass viel Aufhebens davon gemacht wurde. Das merkte man gleich. Unter vielen Menschen war sie irgendwie nervös.»
Jeffrey zog sein Notizbuch hervor, obwohl er sich eigentlich gar nichts aufzuschreiben brauchte. Er wusste, dass Pete viel über Sibyl zu wissen schien. «Kam sie oft her?»
«Pünktlich jeden Montag.» Er kniff die Augen zusammen, schien nachzudenken. «Ich denke, so ungefähr die letzten fünf Jahre. Manchmal ist sie auch spätabends noch gekommen mit Lehrerkollegen oder Nan aus der Bibliothek. Ich glaube, die beiden haben ein Haus drüben an der Cooper gemietet.»
Jeffrey nickte.
«Aber das geschah nur gelegentlich. Meistens also montags und dann immer allein. Sie kam zu Fuß hierher, bestellte sich ihr
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Mittagessen und war gewöhnlich gegen zwei wieder weg.» Er rieb sich das Kinn und sah plötzlich traurig aus. «Sie hat immer ein schönes Trinkgeld dagelassen. Ich hab mir gar nichts dabei gedacht, als ich sah, dass ihr Tisch leer war. Ich hab einfach gedacht, sie ist gegangen, als ich mal nicht hingesehen hab.»
Jeffrey fragte: «Was hatte sie bestellt?»
«Dasselbe wie immer», sagte Pete. «Die Nummer drei.»
Jeffrey wusste, was es war - der Waffel-Teller mit Eiern, Speck und Maisgrütze als Beilage.
«Nur dass sie kein Fleisch aß», erläuterte Pete, «deswegen ließ ich immer den Speck weg. Außerdem trank sie keinen Kaffee, deswegen brachte ich ihr heißen Tee.»
Das notierte sich Jeffrey. «Was für Tee?»
Er kramte hinter dem Tresen und holte eine Schachtel mit Teebeuteln hervor. «Die hab ich für sie im Lebensmittelladen besorgt. Koffein wollte sie nicht.» Er lachte kurz. «Ich hab es ihr gern so angenehm wie möglich gemacht, verstehen Sie? Sie kam ja nicht viel raus. Sie hat mir immer wieder gesagt, dass sie gerne herkommt, weil sie sich hier wohl fühlt.» Er hantierte mit der Schachtel Teebeutel.
«Was ist mit der Tasse, die sie benutzt hat?», fragte Jeffrey.
«Das wusste ich nicht. Die sehen doch alle gleich aus.» Er ging ans Ende des Tresens und zog eine große Metallschublade heraus. Jeffrey beugte sich vor, um einen Blick hineinzuwerfen.
Die Schublade war der große Korb einer Geschirrspülmaschine und mit Tassen und Tellern gefüllt.
Jeffrey fragte: «Sind die von gestern?»
Pete nickte. «Ich könnte im Leben nicht sagen, welche ihre Tasse war. Ich hab die Maschine angestellt, bevor sie -» Er brach ab und sah auf seine Hände. «Mein Dad hat immer gesagt, wer gut für seine Gäste sorgt, für den sorgen auch die Gäste.» Er blickte auf, Tränen in den Augen. «Sie war doch ein nettes
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Mädchen. Warum sollte ihr jemand etwas antun wollen?»
«Das weiß ich auch nicht, Pete»,
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