Belladonna
leisten werden oder können. Sie suchen sich die Stillen aus wie Julia Matthews. Oder die Behinderten.» Lena fügte hinzu: «Wie meine Schwester.»
Jeffrey sah sie verwundert an. Er wusste nicht, ob er sich ihrer Logik anschließen konnte. Lena überraschte ihn durchaus
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manchmal, aber was sie jetzt gesagt hatte, raubte ihm beinahe die Fassung. Er hätte solche Reden vielleicht von jemandem wie Matt Hogan erwartet, aber niemals von einer Frau. Nicht einmal von Lena.
Er lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze und schwieg eine Weile. Dann forderte er: «Schildern Sie mir den Fall in allen Einzelheiten. Julia Matthews. Wie sah sie aus?»
Lena nahm sich Zeit mit ihrer Antwort. «Ihre Schneidezähne waren ausgeschlagen, Hand- und Fußknöchel zeigten
Fesselspuren. Man hatte ihr die Schamhaare rasiert.» Lena hielt inne. «Dann hat er sie innerlich sauber geätzt, verstehen Sie?»
«Bleichmittel?»
Lena nickte. «Den Mund ebenfalls.»
Jeffrey sah sie eindringlich an. «Und was noch?»
«Es waren keine Quetschungen festzustellen.» Lena deutete auf ihren Schoß. «Keine Abwehrwunden oder Male an ihren Händen, außer den Löchern in ihren Handflächen und den Striemen von den Gurten.»
Jeffrey dachte darüber nach. Julia Matthews hatte
wahrscheinlich die gesamte Zeit unter Drogen gestanden, obwohl auch das ihm eigentlich nicht einleuchten wollte.
Notzucht war ein Gewaltverbrechen, und die meisten
Vergewaltiger fanden ihre Befriedigung eher darin, den Frauen Schmerz zuzufügen, sie unter Kontrolle zu bringen, als wirklich Sex mit ihnen zu haben.
Jeffrey sagte: «Erzählen Sie weiter. Wie sah Julia aus, als Sie sie gefunden haben?»
«Sie sah ganz normal aus», antwortete Le na. «Das sagte ich doch schon.»
«War sie nackt?»
«Ja, nackt. Sie war völlig nackt, und man hatte sie mit ausgebreiteten Armen hingelegt. Die Füße waren an den
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Knöcheln gekreuzt. Direkt auf der Kühlerhaube des Wagens.»
«Glauben Sie, dass sie aus einem bestimmten Grund so hingelegt worden war?»
Lena antwortete: «Keine Ahnung. Aber jeder kennt doch Doktor Linton. Jeder weiß, welchen Wagen sie fährt. Es ist doch der einzige in der Stadt.»
Jeffrey spürte, dass sich ihm der Magen umdrehte. Auf diese Antwort hatte er nicht hinausgewollt. Lena hatte genau die Lage des Körpers beschrieben, und sie hätte zu demselben Schluss kommen sollen wie er, nämlich dass die Frau wie bei einer Kreuzigung hingelegt worden war. Er hatte angenommen, dass Saras Wagen nur deswegen ausgewählt worden war, weil er so dicht am Krankenhaus geparkt stand, dass ihn bestimmt jemand sehen würde. Die Möglichkeit, dass diese Handlung gegen Sara gerichtet sein könnte, war beängstigend.
Jeffrey drängte den Gedanken zurück und stellte Lena eine neue Frage. «Was wissen wir über unseren Vergewaltiger?»
Lena bedachte ihre Antwort und sagte dann: «Okay, er ist weiß, denn Vergewaltiger neigen dazu, sich Opfer ihrer eigenen ethnischen Gruppe zu suchen. Er ist extrem penibel, denn sie wurde gründlich mit Bleichmittel abgeschrubbt. Bleichmittel bedeutet auch, dass er gerichtsmedizinisch bewandert ist, denn Bleiche ist das beste Mittel, um materielle Spuren zu beseitigen.
Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein älterer Mann und besitzt sein eigenes Haus, denn offenbar hat er sie an den Fußboden oder eine Wand oder sonst etwas genagelt, und das kann man ja wohl kaum in einer Mietwohnung machen. Deswegen ist er wohl ein etablierter Bürger dieser Stadt. Er ist wahrscheinlich nicht verheiratet, denn er hätte eine ganze Menge zu erklären, wenn seine Frau nach Hause käme und im Souterrain eine angenagelte Frau fände.»
«Warum sprechen Sie von Souterrain?»
Lena zuckte wieder die Achseln. «Ich kann mir nicht
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vorstellen, dass er sie irgendwo hielt, wo jeder reinkann.»
«Auch nicht, wenn er allein lebt?»
«Nur, wenn er sicher ist, dass niemand zu Besuch kommt.»
«Also ist er ein Einzelgänger?»
«Kann schon angehen. Aber wie hat er sie dann kennen gelernt?»
«Gutes Argument», sagte Jeffrey. «Hat Sara Blut für das toxische Screening weggeschickt?»
«Hat sie», sagte Lena. «Sie hat die Probe selbst rüber nach Augusta gefahren. Zumindest hat sie gesagt, dass sie hinfährt.
Sie hat auch gesagt, dass sie wüsste, wonach sie sucht.»
Jeffrey zeigte auf eine Seitenstraße.
Lena bog scharf ab. «Lassen wir Gordon heute noch frei?», fragte sie.
«Finde ich nicht», sagte Jeffrey. «Wir können die
Drogensache
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