Belladonna
der Befragung eines jungen Mädchens mitzuhelfen, das von seinem Nachbarn brutal geprügelt und anschließend vergewaltigt worden war. Und dennoch, obwohl Lena den ganzen Tag im Krankenhaus in Julias Nähe gewesen war, schlug ihr die Vorstellung auf den Magen, mit der jungen Frau zu sprechen und sie zu verhören. Es ging ihr einfach zu nahe.
«Sind Sie so weit?», fragte Jeffrey, die Hand auf der Türklinke.
«Yeah.»
Jeffrey öffnete die Tür und ließ Lena den Vortritt. Julia Matthews hatte geschlafen, aber wachte von dem Geräusch sofort auf. Lena konnte sich nicht vorstellen, dass die junge Frau so bald - wenn überhaupt je - wieder ruhigen Schlaf finden würde.
«Möchten Sie einen Schluck Wasser?», fragte Lena, ging ans Kopfende des Betts und hob den Krug. Sie füllte das Glas der jungen Frau und drehte den Strohhalm so, dass sie trinken
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konnte.
Jeffrey stand mit dem Rücken dicht an der Tür, weil er offenbar die junge Frau nicht zu sehr bedrängen wollte. Er sagte:
«Hallo, ich bin Chief Tolliver, Julia. Erinnern Sie sich noch von heute Morgen an mich?»
Sie reagierte mit einem trägen Nicken.
«Sie haben eine Droge im Körper, die man Belladonna nennt.
Wissen Sie, worum es sich dabei handelt?»
Sie schüttelte den Kopf.
«Sie hat manchmal zur Folge, dass man seine Stimme verliert.
Meinen Sie, dass Sie sprechen können?»
Die junge Frau öffnete den Mund, und es kam ein
krächzendes Geräusch heraus. Sie bewegte die Lippen, versuchte allem Anschein nach, Wörter zu bilden.
Jeffrey lächelte ihr ermunternd zu. «Wollen Sie vielleicht versuchen, mir Ihren Namen zu sagen?»
Sie öffnete wieder den Mund und brachte leise und krächzend
«Julia» hervor.
«Schön», sagte Jeffrey. «Das hier ist Lena Adams. Sie kennen sie bereits, stimmt's?»
Julia nickte. Ihr Blick suchte und fand Lena.
«Sie wird Ihnen einige Fragen stellen, einverstanden?»
Lena gab sich keine Mühe, ihre Verblüffung zu verhehlen. Sie war sich nicht sicher, ob sie in der Lage wäre, Julia Matthews zu sagen, wie spät es war, geschweige denn, die junge Frau zu verhören. Aber sie besann sich wieder auf ihre Ausbildung und begann mit dem, was sie wusste.
«Julia?» Lena zog sich einen Stuhl an das Bett der jungen Frau. «Wir müssen wissen, ob Sie uns irgendetwas darüber sagen können, was man Ihnen angetan hat.»
Julia schloss die Augen. Ihre Lippen bebten, aber sie
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antwortete nicht.
«Kannten Sie den Mann?»
Sie schüttelte den Kopf.
«War er jemand aus dem College? Hatten Sie zusammen mit ihm Unterricht?»
Julia schloss die Augen. Ein paar Sekunden später liefen schon die Tränen. Schließlich sagte sie: «Nein.»
Lena legte die Hand auf den Arm der jungen Frau. Er war dünn und zerbrechlich, so wie Sibyls Arm im Leichenschauhaus gewirkt hatte. Sie versuchte, nicht an ihre Schwester zu denken, als sie sagte: «Sprechen wir von seinem Haar. Können Sie mir sagen, welche Farbe es hatte?»
Wieder schüttelte sie den Kopf.
«Irgendwelche Tätowierungen oder besondere Kennzeichen, mit deren Hilfe wir ihn identifizieren könnten?»
«Nein.»
Lena sagte: «Ich weiß, dass es schwer ist, aber wir müssen herausfinden, was geschehen ist. Wir müssen diesen Kerl von der Straße holen, damit er nicht noch mehr Unheil anrichtet.»
Julia hielt die Augen geschlossen. Im Zimmer war es so unerträglich still, dass Lena den Drang verspürte, etwas ganz Lautes zu tun. Irgendwie machte die Stille sie nervös.
Ohne Vorwarnung sprach Julia schließlich. Ihre Stimme war heiser. «Er hat mich überlistet.»
Lena presste die Lippen aufeinander, wollte der jungen Frau Zeit lassen.
«Er hat mich überlistet», wiederholte Julia und kniff die Augen noch fester zusammen. «Ich war in der Bibliothek.»
Lena dachte an Ryan Gordon. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Hatte sie sich in ihm getäuscht? War er vielleicht doch fähig, etwas wie dies zu tun? Vielleicht war Julia entkommen,
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weil er sich im Gefängnis befand.
«Ich hatte eine Prüfung», fuhr Julia fort, «und bin länger geblieben, um dafür zu lernen.» Bei der Erinnerung fiel ihr das Atmen immer schwerer.
«Jetzt wollen wir mal ganz tief und ruhig atmen», sagte Lena, und dann atmete sie zusammen mit Julia ein und aus. «So ist es gut. Bleiben Sie ganz ruhig.»
Jetzt fing sie richtig zu weinen an. «Ryan war auch da», sagte sie.
Lena erlaubte sich einen Blick zu Jeffrey. Seine Stirn war zerfurcht, und er hatte sich ganz auf Matthews
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