Belladonna
waschen.»
«Sara?»
Sie tat Tessas Betroffenheit mit einer Handbewegung ab, ging nach hinten und versuchte sich zusammenzureißen, bis sie die Toiletten erreicht hatte. Die Tür der Damentoilette klemmte seit Anbeginn der Zeiten, und daher zog sie mit einem heftigen Ruck an der Klinke. Der kleine, schwarzweiß gekachelte Raum war kühl und fast schon anheimelnd. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, die Hände vor dem Gesicht und darauf bedacht, die letzten paar Stunden des Tages aus dem Gedächtnis zu wischen. Jimmy Powells Laborwerte verfolgten sie noch immer. Vor zwölf Jahren als Assistenzärztin am Grady Hospital in Atlanta hatte sie den Tod kennen gelernt, wenn sie sich auch nie an ihn hatte gewöhnen können. Grady hatte die beste Notaufnahme im Südosten, und Sara hatte ihren Teil an schwierigsten Verletzungen zu Gesicht bekommen, angefangen bei dem Jungen, der ein Päckchen Rasierklingen verschluckt hatte, bis zu dem Teenager, an dem eine Abtreibung mit einem Kleiderbügel aus Metall versucht worden war. Das waren schreckliche Fälle, aber in einer so großen Stadt kamen sie dennoch nicht völlig unverhofft.
Fälle in der Kinderklinik wie die Erkrankung von Jimmy Powell trafen Sara jedoch mit der Wucht einer Abrissbirne. Er würde zu einem jener seltenen Fälle werden, bei denen Sara in ihren beiden professionellen Funktionen würde tätig werden müssen. Jimmy Powell, der so gern beim College-Basketball zuschaute und über eine der größten Sammlungen von Rennwagenmodellen verfügte, die Sara je gesehen hatte, würde mit größter Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres sterben.
Sara bändigte ihr Haar mit einer Spange zum Pferdeschwanz, während sie darauf wartete, dass sich das Waschbecken mit kaltem Wasser füllte. Sie lehnte sich darüber und hielt inne, weil ihr ein Übelkeit erregender süßlicher Geruch entgegenschlug. Pete hatte wahrscheinlich Essig in den Ablauf geschüttet, damit es nicht faulig stank. Das war ein alter Klempnertrick, aber Sara hasste den Essiggeruch.
Sie hielt den Atem an, als sie sich wieder über das Becken beugte und sich Wasser ins Gesicht spritzte, um wach zu werden. Ein Blick in den Spiegel zeigte, dass nichts besser geworden war, sich aber ein nasser Fleck direkt unter dem Halsausschnitt ihres T-Shirts abzeichnete.
«Na toll», murmelte Sara.
Sie trocknete sich die Hände an den Hosenbeinen ab, während sie auf die Kabinen zuging. Nachdem sie den Inhalt eines Toilettenbeckens gesehen hatte, ging sie zur nächsten Kabine, der für Behinderte, und öffnete die Tür.
«Oh», hauchte Sara und trat schnell zurück. Sie blieb erst wieder stehen, als das Waschbecken gegen die Rückseite ihrer Beine drückte. Sie griff hinter sich und stützte sich darauf. Sie hatte einen metallischen Geschmack im Mund und musste sich zwingen, konzentriert zu atmen, um nicht ohnmächtig zu werden. Sie ließ den Kopf abrupt sinken, schloss die Augen und zählte volle fünf Sekunden ab, bevor sie wieder aufsah.
Sibyl Adams, eine Professorin am College, saß auf der Toilette. Ihr Kopf war nach hinten an die gekachelte Wand geneigt, die Augen hatte sie geschlossen. Ihre Hose war bis zu den Knöcheln hinuntergezogen, die Beine waren weit gespreizt. Sie hatte eine Stichwunde im Unterleib. Blut füllte das Toilettenbecken, zwischen ihren Beinen tropfte es auf die Bodenkacheln.
Sara zwang sich, in die Kabine zu gehen, und hockte sich vor die junge Frau. Sibyls Hemd war hochgezogen, und Sara konnte einen großen senkrechten Schnitt erkennen, der über den gesamten Unterleib verlief, den Nabel durchtrennte und am Schambein endete. Ein weiterer Schnitt, noch tiefer, hatte unter ihren Brüsten eine klaffende waagerechte Wunde hinterlassen. Von ihr stammte auch der größte Teil des Bluts, das noch immer am Körper hinunterrann. Sara legte die Hand auf die Wunde und versuchte, die Blutung zu stillen, aber das Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor, als drückte sie einen Schwamm aus.
Sara wischte sich die Hände am Hemd ab und neigte dann Sibyls Kopf nach vorn. Ein leises Stöhnen war zu hören, aber Sara vermochte nicht zu sagen, ob da nur Luft zwischen den Lippen einer Leiche entwich oder ob eine noch lebende Frau um Hilfe flehte. «Sibyl?», flüsterte Sara unter den größten Mühen, denn die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
«Sibyl?», wiederholte sie und drückte mit dem Daumen Sibyls Augenlid auf. Die Haut der Frau fühlte sich heiß an, als sei sie zu lange in der Sonne
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