Belladonna
aus zusammengekniffenen Augen an. Sie wandte sich Ellen zu. «Ich werde sie aufmachen.»
Hare schüttelte den Kopf. Er sagte: «Sara, dafür sind wir hier nicht ausgerüstet.»
Sara schenkte ihm keine Beachtung. Sie tastete die Rippen der Frau ab und zuckte zusammen, als sie die Rippe berührte, die sie gebrochen hatte. Als Saras Finger die Unterseite des Zwerchfells erreicht hatten, nahm sie ein Skalpell zur Hand und schnitt eine fünfzehn Zentimeter lange Öffnung in das obere Abdomen. Sie schob die Hand in den Einschnitt und griff unter die Rippen in den Brustkorb der Frau.
Sie hielt die Augen geschlossen und verdrängte das Krankenhaus aus ihrem Bewusstsein, während sie das Herz der Frau massierte. Der Monitor weckte kurzzeitig falsche Hoffnungen, als Sara drückte und presste, um das Blut der Frau manuell zum Zirkulieren zu bringen. Sie spürte ein Kribbeln in den Fingern, und in ihren Ohren registrierte sie einen leisen, aber durchdringenden Ton. Nichts sonst war von Bedeutung, als sie darauf wartete, dass das Herz reagierte. Es war, als presste sie einen kleinen Ballon, der mit warmem Wasser gefüllt war. Nur war dieser Ballon das Leben.
Sara hielt inne. Sie zählte fünf Sekunden ab, acht und dann hinauf bis zwölf, bevor sie mit urplötzlichen Pieptönen des Monitors belohnt wurde.
Hare fragte: «Ist sie das, oder bist du es?»
«Sie», erwiderte Sara und ließ ihre Hand herausgleiten. «Hängt sie an einen Lidocain-Tropf.»
«Gütiger Himmel», murmelte Lena, die sich an die Brust fasste. «Ich kann es einfach nicht glauben, dass Sie das fertig gebracht haben.»
Es gab ein schmatzendes Geräusch, als Sara sich die Latexhandschuhe von den Fingern zog. Sie antwortete nicht.
Bis auf die Piepstöne des Herzmonitors und das Auf und Ab des Beatmungsgeräts war es ganz still im Raum.
«Also», sagte Sara. «Wir machen dann noch ein Dunkelfeld auf Syphilis und eine Gram-Färbung wegen Gonorrhöe.» Sara spürte, dass ihr Gesicht dabei rot wurde. «Ich bin sicher, dass ein Kondom benutzt wurde, aber trotzdem sollte in ein paar Tagen ein Schwangerschaftstest gemacht werden.» Sara war sich durchaus des Bebens in ihrer Stimme bewusst, hoffte aber, dass Ellen und Lena nichts davon merkten. Mit Hare war es anders. Ohne ihn ansehen zu müssen, konnte sie seine Gedanken geradezu hören.
Er schien ihre Nervosität zu ahnen und wollte die Atmosphäre entspannen. «Meine Güte, Sara. Das war der schlampigste Schnitt, den ich je gesehen habe.»
Sara feuchtete sich die Lippen an und zwang ihr Herz dazu, ganz ruhig zu schlagen. «Ich wollte dir ja nicht die Schau stehlen.»
«Primadonna», kommentierte Hare und wischte sich mit einem Mulltupfer den Schweiß von der Stirn. «Mein Gott.» Sein Lachen klang unbehaglich.
«So was sehen wir hier nicht allzu oft», sagte Ellen, als sie Kompressen in den Schnitt legte, um die Blutung unter Kontrolle zu halten, bis sich die Wunde schloss. «Ich kann Larry Headley drüben in Augusta anrufen. Er wohnt nur fünfzehn Minuten von hier.»
«Das wäre mir sehr lieb», sagte Sara und nahm sich noch ein Paar Handschuhe aus einer Schachtel an der Wand.
«Alles in Ordnung mit dir?», fragte Hare. Sein Ton war locker, aber seine Augen verrieten Besorgnis.
«Alles bestens», antwortete Sara und überprüfte den Katheter. Sie wandte sich an Lena: «Ich nehme an, Sie können Frank auf treiben?»
Lena besaß den Anstand, etwas verlegen auszusehen. «Ich werd ihn suchen.» Mit gesenktem Kopf verließ sie den Raum.
Sara wartete, bis sie fort war, und fragte dann Hare: «Könntest du dir mal ihre Hände ansehen?»
Hare schwieg, während er die Handflächen der Frau untersuchte und die Knochen abtastete. Nach einigen Minuten sagte er: «Interessant.»
Sara fragte: «Was denn?»
«Hat keinen einzigen Knochen verletzt», antwortete Hare und drehte das Handgelenk. Als er zur Schulter kam, hielt er inne. «Ausgerenkt», sagte er.
Sara schlug die Arme übereinander, weil ihr plötzlich kalt war. «Weil sie sich loszureißen versucht hat?»
Hare runzelte die Stirn. «Ist dir klar, wie viel Kraft nötig ist, dein Schulterblatt auszurenken?» Er schüttelte den Kopf, weil er es nicht glauben wollte. «Du würdest vor Schmerzen ohnmächtig werden, bevor du noch -»
«Ist dir denn klar, wie groß die Angst vor einer Vergewaltigung sein kann?» Sara sah ihn durchbohrend an.
Der Schmerz war seiner Miene anzusehen. «Tut mir Leid, Liebes. Alles okay mit dir?»
Tränen brannten ihr in den
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