BELLAGIO -- Roman (German Edition)
ihrer Schönheit, dem Reichtum ihres Vater und der Bekanntheit der Familie Saroux zu sonnen.
Darüber hatte er völlig vergessen, was ihn mit Gabi verbunden hatte. Mit ihr war es diese stille sichere Liebe, das Wissen, dass man zusammen gehörte, die absolute Offenheit, in der jeder über alles reden konnte, ohne Angst haben zu müssen, der andere würde sich abwenden. Mit ihr war es das Wahre gewesen, das Echte, die unspektakuläre Selbstverständlichkeit und Tiefe der wahren Liebe.
Jetzt, wo er alles verloren hatte, gestand er es sich zum ersten Mal überhaupt und bewusst ein: Sie war die Liebe seines Lebens gewesen. Nicht Camille. Aber er wusste auch, dass er sie bis ins Mark getroffen hatte, als er sie wegen Camille verlassen hatte. In seinen nächtlichen Albträumen hatte er sie oft weinen sehen. Deswegen hatte er sich nie wieder bei ihr gemeldet, sein schlechtes Gewissen war zu groß gewesen. Und er wollte auch ihren Frieden, den sie inzwischen sicherlich bei einem anderen Mann gefunden hatte, der sie mehr verdiente als er, nicht stören. Er wollte ihre alten Wunden nicht wieder aufreißen. Das hatte sie nicht verdient.
Damit musste er jetzt eben selbst fertig werden. Schließlich war er ja der Schuldige, der allein Schuldige gewesen, damals... in Bellagio.
X X X
Manchmal kam es Ela vor, als würden die Probleme ihrer Klienten sich mit ihren eigenen überkreuzen. Die letzte Sitzung heute hatte sie mit einem Neuzugang gehabt. Eine schöne, sehr zierliche und liebe Frau um die 50. Ihr Problem war, dass sie immer von anderen ausgenutzt wurde. Vor allem von Männern. Und zwar so heftig, dass sie die Beziehung immer nach einigen Monaten aus reinem Selbstschutz beenden musste. Doch eigentlich wollte sie endlich heiraten und glücklich sein mit einem normalen Mann, der sie liebte und den sie lieben konnte. Sie wollte herausfinden, wie ihr das gelingen konnte und hatte sich so auf Empfehlung ihrer Freundin bei Ela angemeldet, die selbst wegen ihrer Arbeitsplatzprobleme Hilfe bei ihr gefunden hatte. Wie nannte C. G. Jung dieses Phänomen noch, das einem immer das im Außen passierte, was sich innerlich gedanklich abspielte? Ach ja, Synchronizität.
Für Ela hatte das schon im Studium, als sie über dieses Phänomen ein Referat abhalten musste, eher etwas mit schwarzer Magie oder Hokuspokus zu tun gehabt als mit ernsthafter Psychologie. Doch Jung hatte Recht. Wenn man von diesem Phänomen einmal wusste, fiel einem erst auf, wie oft es auftrat.
‚Vielleicht ist die Welt eben doch nur ein Spiegel unserer Gedanken’. Als sich Ela das überlegte, fragte sie sich unweigerlich, ob ihre Gedanken so düster seien, dass sich außen nur das Düstere manifestieren konnte. War das so? War sie zu schwermütig? Zu leicht zu bedrücken? Zu gutmütig?
Wenn es wirklich an meinen Gedanken liegt, dachte sich Ela, dann würde sie ab sofort nur noch Schönes und Hoffnungsvolles denken. Dann müsste diese Synchronizität doch auch nur Schönes manifestieren können, oder?
Einen Versuch wäre es wert. Also, was würde sie jetzt für sich tun? Sie hatte sich ja längst entschieden, ihr Leben zu verändern, doch das war leichter gesagt, als getan. Womit würde sie ihre Lebensfreude zurück holen können? Womit würde sie sich nun wirklich einmal selbst eine Freude machen?
Ja, genau! Sie würde Urlaub machen! Ja, das war es. Und zwar allein. Chris würde sie zu ihren Eltern abschieben, jawohl abschieben. So konnte sie endlich wieder zu sich selbst kommen. Wieder Schönes mit offenen Augen ohne Stress erleben. Luxus um sich haben und sich von vorne bis hinten verwöhnen lassen. Dafür würde sie ihr Bankkonto räubern, was soll’s.
Nur wohin sollte es gehen? Italien wäre nicht schlecht. Die Leichtigkeit der Italiener hatte ihr schon immer gut getan. Doch ihre Mutter, selbst Italienerin, hatte sich schon lange von der schwäbischen Perfektion und Trübseligkeit anstecken lassen. Von Leichtigkeit war bei ihr nichts mehr zu spüren. Dafür hatte ihr Vater schon gesorgt.
Allerdings war es auch in Italien gewesen, wo ihr das Schlimmste passiert war. Etwas, an das sie sich auch heute noch jeden Tag erinnerte, obwohl sie es liebend gerne vergessen würde, weil ihr die Erinnerung daran das Leben jeden Tag aufs Neue vergällte.
Ela hatte eine Idee. Ja, warum nicht?
Sie würde genau dahin fahren, wo es damals passiert war, dahin, wo ihr persönlicher Albtraum begonnen hatte. Sie würde sich ihren
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