BELLAGIO -- Roman (German Edition)
den Finanzen, musste sparen, habe mir nicht gegönnt. Nicht einmal ab und zu eine Pediküre oder eine Kosmetikbehandlung. Ich habe immer zurück gesteckt, damit du das Shirt von Nike kaufen konntest, oder den Anorak von Santa Cruz oder ein Snowboard. Aber jetzt werde ich mit auch wieder einmal etwas gönnen und du musst eben jetzt einmal für mich zurück stecken.“
Als Ela mit ihrer kleinen Rede fertig war, war es mucksmäuschenstill im Raum. Chris starrte sie nur an. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Sie waren noch nie so lange getrennt gewesen.
„Aber, aber... du kannst doch nicht alleine fahren!“
„Doch, ich kann und ich werde. Ich habe schon mit Oma gesprochen. Die war zwar auch ganz schön geschockt, aber was soll’s. Daran müsst ihr euch eben jetzt gewöhnen. Ich hab kapiert, dass man sowieso keinen Dank dafür kriegt, wenn man sich aufopfert für andere und sich nie etwas selbst gönnt. Im Gegenteil, man kriegt dann auch noch einen Tritt in den Arsch. Nein, das mache ich nicht mehr mit.“
„Aber ich werde mich doch ändern!“ Er sah sie gleichzeitig erschreckt und flehentlich an.
Chris verstand die Welt nicht mehr. Er dachte tatsächlich, dass alles anders für Ela wäre, wenn er sich für ein paar Tage nett verhalten würde. Als Jugendlicher sah man das wohl noch so. Was Nerven sind und wie diese einem zu schaffen machen konnten, erfuhr man doch erst später im Leben. Ja, in diesem Alter war alles noch einfach. Ich bin mal lieb, dann muss Mami doch zufrieden sein. Ela kam es außerdem so vor, als ob Chris dachte, das Ganze sei ein Spielchen. Erst war er lieb, dann wurde Ela wieder netter und offener zu ihm. Das schien er allerdings dann wiederum als grüne Ampel zu nehmen, nun wieder in sein altes Verhalten hinein zu fallen. Erst ab und zu, dann öfter, solange bis es dann wieder völlig unausstehlich war. Ela war sich bewusst, würde sie immer extrem streng und hart sein, dann könnte sie sein nettes Verhalten dauerhaft erleben. Aber das war nun einmal nicht ihre Art.
Waren vielleicht alle Männer so? War es bei Chris nur so augefällig und deutlich, weil er so jung war und es noch nicht gelernt hatte, sein Verhalten zu dosieren? Gingen alle Männer immer weiter, weiter, weiter bis an die Grenzen? Kapierten sie es wirklich erst, wenn sie die absolute rote Karte bekamen? Wahrscheinlich war das bei den meisten wirklich so.
Egal. Jetzt würde sie erst einmal Urlaub machen.
„Darauf freue ich mich, wirklich, Schatz. Außerdem werde ich mich jetzt wieder selbst ernster nehmen und meine Bedürfnisse nicht mehr unter den Tisch kehren. Und ich brauche diesen Urlaub jetzt. Das spüre ich in jedem Knochen.“
„Mama... aber du... du kommst aber schon wieder zurück... oder?“
Es fiel Chris sichtlich schwer, das zu fragen.
Schau an, er hatte doch tatsächlich Angst, sie würde nicht mehr zurück kommen. Er hing wohl doch mehr an ihr, als sie gedacht hatte. Ela lächelte.
„Aber sicher doch. Ich will nur einmal eine kleine Weile für mich sein und mich wirklich entspannen.“ Das schien der Königsweg im Umgang mit dem männlichen Geschlecht zu sein, sie immer ein wenig in Unsicherheit halten. Das, was Generationen von Frauen wohl instinktiv getan hatten und auch ihre eigene Mutter ihr immer geraten hatte, schien zu stimmen. ‚Ein Mann darf sich nie absolut sicher sein, dass er dich hat. Sonst bemüht er sich nicht mehr.’ Sie hatte diese Worte Ihrer Mutter überdeutlich im Ohr. Vielleicht war das ihr Fehler mit ihrem Ex gewesen. Ihre Mutter meinte das jedenfalls. Sie hatte ihn so sehr geliebt. Ela hatte sich keine Gedanken über weibliche Strategien gemacht. Sie waren zusammen. Es war Symbiose. Warum sollte sie so tun, als ob er sie nicht hatte? Er hatte sie. Voll und ganz. Vielleicht war es falsch gewesen, dass er das so genau wusste, wie sicher er sich ihrer sein konnte.
Dieses Unsicherheitsding schien sogar in der Mutter-Sohn-Beziehung zu funktionieren. Natürlich wusste sie und auch Chris, dass er trotzdem eine sichere Bindung zu ihr hatte. Ela musste man als Psychologin sicher nicht sagen, wie wichtig dieses innere Wissen für ein Kind war. Aber jetzt brach offenbar die Zeit an, in der andere Dinge und stärker erzieherisch-psychologische Elemente beigemischt werden mussten. Eines dieser Elemente durfte dann auch schon hie und da der Holzhammer sein.
Sie aßen eine lange Weile schweigend vor sich hin. Ela sah Chris an, dass so einiges in seinem Kopf
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