BELLAGIO -- Roman (German Edition)
war.
Und was war das Ergebnis? Er hatte jetzt weniger als seine Eltern. Alles verzockt.
‚Ach Junge’, hörte er seinen Vater sagen, wenn er es ihm erzählen würde, ‚warum hast du nicht gehört? Das Leben erfindet sich nicht immer wieder neu. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Wer nach oben steigt, muss wieder herunter kommen. Immer.’
Immer. Damals hatte er das nicht geglaubt. Er war sich sicher, dass er es schaffen würde, für immer. Dass er dort oben hingehörte. Unwiderruflich. Das war sein Ziel. Er wollte, dass die verwöhnte Camille und sein überheblicher Schwiegervater, der ihn nie gemocht hatte und auch nie etwas von ihm gehalten hatte, ihn bewunderten. Und nun würde seine Mutter noch nicht einmal mehr ihre geliebten Enkel sehen können. Paris.
Nun gut. So sei es denn. Es nahm seinen ganzen Mut zusammen. Dann wählte er die Nummer seiner Eltern.
X X X
Chris war schon zu Hause, als Ela daheim ankam. Im ganzen Haus war Licht, Festbeleuchtung. Ela schloss die Tür auf. ‚Unforgettable’ schlug ihr entgegen, der Song von Nat King Cole, eines ihrer Lieblingslieder. Chris hasste die Musik, die sie mochte. ‚Gedudel’ nannte er es.
‚Nanu’, dachte sie sich, ‚habe ich etwa Geburtstag?’ Sie hängte ihre Jacke an die Garderobe und ging ins Esszimmer. Chris stand mit umgebundener Schürze in der Küche und richtete Antipasti auf einem Teller an. Der Esstisch war schön gedeckt, mit dem guten Geschirr und Besteck und den geschliffenen Gläsern, in denen schon dunkelroter Wein schimmerte.
„Ich hab gekocht, Mama!“, begrüßte Chris sie stolz. „Na ja, gekocht vielleicht nicht, aber trotzdem Abendessen gemacht!“
Er schaute über die Schulter und grinste sie verschmitzt an. Ela lächelte. Er sah schon verdammt gut aus, der Kleine. So manches Mädel in der Schule würde wohl weiche Knie bekommen, wenn er sie so anlächelte.
„Ich sehe es... mit großer Freude, Schatz!“ Ela ging zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Und das wird von jetzt an immer so sein?“ Sie zwinkerte ihm zu.
„Na ja“, meinte Chris ernst, „immer vielleicht nicht... aber immer öfter!“ Wieder zwinkerte er ihr zu.
„Ich möchte dir zeigen, dass ich mich wirklich verbessern will.“
„Hm ja... das wäre schön. Wir könnten es so toll miteinander haben, wenn du ein wenig mitziehst.“
„Trink schon mal was, Mama, zur Entspannung.“
Ela musste lachen.
„Zur Entspannung muss ich nichts trinken. Da reicht es mir, wenn du mich abends so begrüßt, wie jetzt gerade.“
„Also, auf jeden Fall sind die Antipasti jetzt fertig, setz dich“, kommandierte Chris.
„Ja Mama“, nahm Ela ihn auf den Arm. „Siehst du, ich folge der Mama.“
„Ja ja... ich auch!“
Chris stellte die Platte auf den Esstisch, band seine Schürze ab und warf sie aus mehreren Metern Entfernung auf den Barhocker. Das brachte ihm prompt einen strafenden Blick von Ela ein.
„Die kann man auch dorthin legen “, belehrte sie ihn.
„Jaja, ich kann ja nicht gleich alles auf einmal richtig machen, Mamilein. Ich bin ja schon noch ein Kind.“
„Da werde ich dich gerne dran erinnern, Kind, wenn du wieder bis zwölf gamen willst“, erwiderte Ela oberlehrerhaft.
„Allerdings natürlich schon ein ziemlich großes Kind, fast schon erwachsen!“, versuchte Chris sein Eigentor nun wieder gut zu machen.
Stolz sah Ela ihn an, wie er ihr nun gegenüber saß und ihr Wasser einschenkte. Ja, sie könnten es so schön haben. So hatte sie sich das früher immer gedacht.
„Ich habe heute übrigens einen Entschluss gefasst.“
„Welchen?“, fragte Chris während er sich ein großes Stück Baguette in den Mund schob.
„Ich werde Urlaub machen. Nächste Woche.“
„Au ja, wo fahren wir denn hin? Au, da haben wir aber keine Ferien. Da musst du mir eine Entschuldigung schreiben.“
„Du hast mich nicht verstanden, Chris. Ich werde Urlaub machen.“
„Ohne mich?“ Chris hörte vor Schreck auf zu kauen, mit offenem Mund starrte er sie an. Es fielen ihm sogar einige halbzerkaute Baguettestückchen wieder aus seinem Mund heraus auf den Teller. Das hatte es ja noch nie gegeben!
„Ja, ohne dich. Allein. Für mich.“
„Aber, aber was soll ich denn dann machen? Und warum willst du alleine fahren?“
„Das ist doch ganz einfach. Du bleibst für diese Woche bei Oma und Opa. Und ich fahre alleine, weil ich einmal eine Auszeit brauche. Die letzten Jahre hatte ich nur Stress, mit dem Job, mit dir, mit
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