Ben Driskill - 02 - Gomorrha
Sand. Die Waffe hatte er fallen lassen. Eine Blutlache bildete sich um ihn. Driskill wußte, daß es sinnlos wäre, ärztliche Hilfe zu holen. Jetzt verdiente es der Krieger, auf seinem Schild hinausgetragen zu werden. Er hatte alle Morde nur auf Befehl des ehrgeizigen Sherman Taylor ausgeführt. »Wer hätte gedacht, daß alles so ausgeht … es hätte im Weißen Haus passieren sollen …«
Mehr sagte er nicht.
Als die Polizei eintraf, lehnte Driskill neben Tom Bohannon am Baum. Er war zu erschöpft, um alles zu erklären. Er sagte nur, daß er hergekommen sei, um zu sehen, wer der Bursche sei … Dann hätten sie sich unterhalten, und er glaube, der Mann habe Sherman Taylor erschossen.
Dann kam das übliche Gerangel zwischen Fernsehleuten, Polizei und Geheimdienst, wer nun zuständig sei. Driskill mußte warten, ehe er hineingehen und sehen konnte, was der Präsident tat. Die nervöse Erschöpfung trieb ihn wie einen Zeltpflock in den Sand. Plötzlich hörte er ein Telefon klingeln. Verblüfft blickte er umher und dachte: Was … Dann wurde ihm klar, daß das Klingeln aus seiner Jackentasche kam. Er war schweißgebadet. Außerdem hatte es angefangen zu regnen. Seine Hand war naß, als er das Handy hervorholte. »Hallo?« Er kam sich wie ein Idiot vor. Vielleicht eine Nachricht über Elizabeth. Das Krankenhaus hatte diese Nummer.
Aber es war nicht das Krankenhaus.
Er hörte zu.
KAPITEL 24
Alle hatten gedacht, der frühere Präsident, General Sherman Taylor, sei innerhalb von Sekunden in den Armen des Präsidenten Charles Bonner gestorben. Aber er lebte noch. Bei Tagesanbruch war er immer noch im Operationssaal und an lebenserhaltende Apparate angeschlossen. Anscheinend hatte ihm die Tapferkeitsmedaille das Leben gerettet. Die Kugel des Mörders hatte das Metall gestreift und war dadurch um Haaresbreite abgelenkt worden. An diesem dünnen Haar hing jetzt das Leben Taylors; an dieses Haar klammerte er sich. Die Menschen in der ganzen Welt, die geglaubt hatten, nach der Ermordung Kennedys könne sie nichts mehr erschüttern, mußten jetzt umdenken.
Ein Marineinfanterist, der laut Regierungsunterlagen vor zehn oder fünfzehn oder siebzehn Jahren in Beirut oder Afrika gestorben war – je nach Nachrichtenquelle –, hatte auf General Taylor geschossen, als dieser gerade auf dem Parteitag der Demokraten angefangen hatte zu sprechen. Die Kugel hatte den schmalen Saum zwischen den Schutzglasscheiben gefunden. Nicht Glück, sondern Können. Die Biographie des potentiellen Meuchelmörders warf einige Probleme auf. Angeblich hieß der Mann Tom Bohannon und wäre entweder dreiundvierzig oder sechsundvierzig Jahre alt – wenn er nicht längst gestorben wäre. Er war Waise und stammte entweder aus Florida oder aus Oklahoma – vielleicht aber auch aus dem Staat Washington. Tom Bohannon war General Taylors Spezialeinheit zugeteilt worden und hatte an mehreren Kommandounternehmen teilgenommen und sich dabei ausgezeichnet. Er hatte die grausame Folter überlebt, als er von einem Terrorregime gefangengenommen wurde. Er war geflohen, nachdem er die meisten seiner Bewacher getötet hatte. Über seine persönliche Beziehung zu General Taylor war wenig bekannt, abgesehen von einigen Briefen, in denen der General ihn für Auszeichnungen vorschlug. Aber der Mann, der General Taylor ermordet hatte, konnte nicht Tom Bohannon sein, denn Tom Bohannon war längst tot. Auf jeden Fall war der Mörder jetzt tot – wer auch immer er gewesen sein mochte. Allgemein glaubte man, daß es doch Tom Bohannon gewesen war und daß seine Akte aus undurchsichtigen Gründen von der Regierung gesäubert worden war. Oder vielleicht auch nicht.
Ein anderer Marineinfanterist – identifiziert als Floyd Marmot – habe Taylors Mörder bei dem Versuch, den General zu retten, umgebracht. So lautete die – zugegebenermaßen sehr spekulative – Analyse der Medien und des Regierungssprechers. Marmot sei danach von den Delegierten zusammengeschlagen und zu Tode getrampelt worden, weil sie ihn wohl für den Mörder an General Taylor hielten. Zu bemerken wäre noch, daß bei der Befragung im Saal die Hälfte der Menschen angenommen hatte, der Anschlag hätte Bonner gegolten und Taylor sei irrtümlich erschossen worden.
Die Sun-Times verkündete am Morgen:
ATTENTAT AUF TAYLOR – BONNER ÜBERLEBT.
Die Geschichte erfuhr auch nie, was der General hatte sagen wollen. Es gab zwei Denkschulen zu dieser Frage. Die einen glaubten, er habe auf dem Parteitag seine
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