Ben Driskill - 02 - Gomorrha
okay. Bonner hat die Steuern unter Kontrolle gehalten. Meine beiden Kinder haben gute Jobs. Ich wohne nicht mehr in der Scheißinnenstadt – sie auch nicht. Wir exportieren mehr nach Japan, Indien und China. Alles gar nicht so übel, wenn man’s genau nimmt. Von Drogen haben wir die Schnauze auch ziemlich voll. Das Problem nimmt ab. Meine Frau und ich wollen im Urlaub zum Golfspielen nach Arizona fliegen. Camelback.«
»Und dann quatschen sie den ganzen Wahlkampf über die Geheimdienste und daß Bonner uns verkaufen will und daß alles den Bach runtergeht. Herrgott noch mal! Uns gehört der Bach. Wir alle besitzen Bäche, wenn Sie wissen, was ich meine. Terroristen – die sind ein Problem! Aber haben sie Chicago in die Luft gejagt? Nein, verdammt! Was ist für diese Scheißpolitiker wirklich wichtig?«
»Na ja, diese Visionen, oder? Wenn man in die Scheiße in Washington reinkommt, hält man sie für wichtig … Also, mein Rat ist: Zurück auf den Boden der Tatsachen! Alles wird gut. Es ist nicht leicht, Amerika zu unterdrücken. Wir sind ganz oben, und da bleiben wir auch! Ein paar Leute werden ermordet – Amerika überlebt, darauf können Sie sich verlassen!«
»Verdammt richtig. Noch weht die Fahne, mein Freund.«
»Darauf trinke ich. Noch weht die Fahne.«
Jetzt sollte die Rede des Präsidenten kommen. Nach dem Toast legten die Männer Geld auf die Theke und unterhielten sich über Rasenmäher. Dann füllte Charles Bonners Gesicht den Bildschirm.
»Liebe Parteifreunde … ich nehme Ihre Nominierung an.«
Es folgten wieder Beifallskundgebungen. Ballons stiegen hoch. Musik. Ich bestellte noch ein Bier und schaute eine Zeitlang zu. Dann ging ich auf die Toilette. Als ich zurückkam, sprach der Präsident immer noch. »Selbstverständlich müssen wir den geheimdienstlichen Arm der Regierung starkhalten. Ich habe nie etwas anderes vorgeschlagen … aber diese Organisationen müssen besser werden als früher. Und auf dieses Ziel …« Die Männer an der Bar unterhielten sich immer noch, aber ich hörte nicht mehr hin. Jetzt fingen die Kameraaugen Teresa ein und die First Lady. Beide strahlten. Dann kam Larkspur. Er nickte ernst zu einer Bemerkung und lächelte über eine andere. Larkie sah jünger und gesünder aus als in den letzten Jahren. Er war wieder im Herzen der Dinge, das Adrenalin der Nation pulsierte wieder in ihm, als hätte die Jugend ihm einen Gegenbesuch abgestattet. Sein Gesicht strahlte Zuversicht aus und das durchdringende Verständnis für die Bedürfnisse der Nation. Meine Aufgabe war noch schwieriger geworden. Larkspur war der Mann, dem man instinktiv vertraute.
Der Beifall war laut und lange. Die Menge lächelte und jubelte und war bereit, hinauszumarschieren und eine Wahl zu gewinnen. Bereits jetzt verblaßte die Erinnerung an den Tod Taylors und Hazlitts. Es war unwirklich: Die Schnelligkeit der Medien. Die Macht des Gesichts des Präsidenten auf Millionen von Bildschirmen. All das jagte dich und dein Leben und deinen Tod in die Vergangenheit. Man hatte das Gefühl, als würde das Wesen der Zeit in einsilbigen Wörtern erklärt und daß jedes Wort das passende Wort war. Ellery Larkspurs Name hatte Taylors und Hazlitts Namen bereits verdrängt … klar, er lebte schließlich und spielte noch mit. Auf die anderen beiden traf die Redensart zu: Aus den Augen, aus dem Sinn. Die Wahrheit über Taylor und Hazlitt würde wie ein mäßig unangenehmes Virus ins Bewußtsein der Öffentlichkeit sickern, das man möglichst schnell loswerden wollte, ohne zu gründliche Analyse, da die Wahrheit etwas sein könnte, das man nicht brauchte, auch nicht hören oder wissen wollte. Die Öffentlichkeit schützte sich vor dem Verderb, indem sie mehr über die Gegenwart wissen wollte, über die Lebenden, nicht über die Toten, und indem sie über die Zukunft nachdachte, nicht über die Vergangenheit. Im großen und ganzen war das auch die beste Lebenseinstellung. Schließlich mußte man mit dem eigenen Leben machen, was man konnte – auch der Präsident und Tom Bohannon und Elizabeth Driskill –, und ich auch. Die Flutwelle kam früher als erwartet und riß dich zurück in die Vergangenheit, als hättest du nie gelebt. Ich nehme an, daß viele Menschen, wenn sie die sich nähernde Flut spürten, Zuflucht im Glauben an andere Dinge suchten. Ich trank mein Bier aus und sah mich im Spiegel hinter der Bar. Ich lächelte. Ein wenig zaghaft. Der Barmann hatte mich beobachtet. »Wie gewonnen, so zerronnen«, sagte
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