Benedikt XVI
zu erwarten hatten? Der Nutzen konnte
doch nur eher gering sein, der Schaden aber erheblich.
Das ist richtig. Ich habe bereits
erläutert, dass der Schritt weitgehend parallel zu dem ist, was wir in China
tun. Wenn Bischöfe, die in der Exkommunikation sind, weil sie sich gegen den
Primat verfehlt haben, dann den Primat anerkennen, werden sie gerechterweise
von der Exkommunikation befreit. Ihre Exkommunikation hatte also nicht, wie
ich schon sagte, mit dem Zweiten Vatikanum zu tun, sondern war wegen eines
Verstoßes gegen den Primat ausgesprochen worden. Nun hatten sie in einem Brief
ihr Ja zum Primat erklärt, und insofern war die rechtliche Folge ganz klar.
Übrigens
hatte schon unter Johannes Paul IL eine Versammlung aller Dikasterienhäupter,
also aller, die einer päpstlichen Behörde vorstehen, beschlossen, die Exkommunikation
zurückzunehmen, falls ein solcher Brief kommt. Von unserer Seite wurde leider
schlechte Öffentlichkeitsarbeit geleistet, so dass der wirkliche, rechtliche
Inhalt und die Grenzen dieses Vorganges gar nicht deutlich wurden. Zu allem
Übel kam dann auch noch der Super-GAU mit Williamson hinzu, den wir leider
nicht vorhergesehen hatten, was ein besonders betrüblicher Umstand ist.
Hätten Sie mit dem Wissen, dass
sich unter den Bischöfen jemand befindet, der die Gaskammern der Nazis
leugnet, die Exkommunikation unterschrieben?
Nein. Dann hätte zunächst der Fall
Williamson abgetrennt werden müssen. Aber leider hat niemand bei uns im
Internet nachgeschaut und wahrgenommen, um wen es sich hier handelt.
Müsste man, bevor man eine Exkommunikation
zurücknimmt, nicht überhaupt erst einmal die betreffenden Personen und ihren
Lebenswandel unter die Lupe nehmen - erst recht, wenn es sich um eine
Gemeinschaft handelt, die sich in ihrer Isolation sowohl theologisch als auch
politisch fragwürdig entwickelt hatte?
Richtig ist, dass Williamson
insofern eine besondere Figur ist, als er ja nie katholisch im eigentlichen
Sinne war.
Er war Anglikaner und ist von den
Anglikanern direkt zu Lefebvre übergegangen. Das heißt, er hat nie in der Großkirche,
nie in der Gemeinschaft mit dem Papst gelebt. Unsere Instanzen, die dafür
zuständig sind, erklärten, alle vier Betroffenen seien uneingeschränkt
willens, den Primat anzuerkennen. Aber im Nachhinein ist man natürlich immer
klüger.
Heute drängt sieb der Verdacht
auf, dass es sich bei dem Vorgang um ein Komplott gehandelt haben könnte, mit
dem Ziel, dem Papst größtmöglichen Schaden zuzufügen. Allein der Zeitplan
lässt eine gezielte Aktion vermuten. 1 (Das
Dekret mit der Rücknahme der Exkommunikation trägt das Datum 21. Januar 2009.
Zugestellt wird es bereits am 20. Januar. Genau am 21. Januar, also ab dem
Zeitpunkt, an dem das Dekret in den Händen der Piusbrüder und nicht mehr
rückholbar ist, strahlt das schwedische Fernsehen erstmals das verhängnisvolle
Interview aus, in dem Williamson die Gaskammern der Nazis leugnet.
Aufgezeichnet wurde dieses Interview aber bereits im November 2008. Williamson
hatte früher erklärt, die Bruderschaft könne nur dankbar sein für den
jeweiligen "Schutz" durch die Exkommunikation. Dadurch sei man vor
Ansteckungsgefahr durch die "Neo-Modernisten" im Vatikan sicher. Da
es bis dahin unveröffentlicht war, konnte auch niemand im Vatikan etwas von den
darin geäußerten Sätzen wissen. Erst die Ausstrahlung am 21. Januar machte
diese Bombe scharf. Und damit sie auch wirklich hochgeht, wurden offenbar
geneigte Journalisten gezielt auf den "Knaller" angesetzt.)
Der
Schaden jedenfalls ist gewaltig. Über Wochen hinweg hagelt es negative
Schlagzeilen. Dass es überhaupt zu dieser Affäre kommen konnte, lag allerdings
gerade auch daran, dass die tatsächlichen Zusammenhänge verschwiegen wurden.
Die Pressestelle des Vatikans mag nicht optimal gearbeitet haben, aber noch
schlechter arbeiteten die Journalisten der großen bürgerlichen Medien. Ein,
zwei Nachfragen hätten genügt, die Sache aufzuklären. Aber man wollte sich die
Skandal-Schlagzeilen nicht selbst kaputtmachen. Im betreffenden Dekret nämlich
wurde klar dargestellt, dass der Papst lediglich entschieden habe, die
kirchenrechtliche Situation der Bischöfe "neu zu bedenken".
Klar war:
Die vier Bischöfe bleiben kirchenrechtlich weiterhin suspendiert. Es ist ihnen
untersagt, ihr Amt auszuüben. Der Schritt bedeutet keine Versöhnung und erst
recht keine Rehabilitierung. Dennoch veröffentlicht die
Weitere Kostenlose Bücher