Benedikt XVI
Kardinäle schuld -, und ich tue das, was
ich kann.
Der Weltjugendtag im August 2005
in Köln mit 1,1 Millionen Teilnehmern und später auch der Weltjugendtag in
Sydney brachten ungeahnte Qualitäten ans Licht. "Hier auf dem Rhein",
beobachtete das italienische Linksblatt "La Repubblica", zerbreche
selbst in den Augen seiner misstrauischen Landsleute die Rüstung des
Glaubenswächters - zugunsten eines Hirten, der Kirche als "Ort der Zärtlichkeit
Gottes" beschreibt. Waren Sie von sich selbst überrascht darüber, wie gut
Sie mit den jungen Menschen umgehen können?
Es hat mich jedenfalls gefreut,
dass ein ganz spontaner Kontakt entstanden ist, und in der Tat sind diese Jugendtage
zu einem echten Geschenk geworden. Wenn ich denke, wie viele junge Menschen von
hier einen neuen Ausgangspunkt finden und dann geistlich davon leben, wie
viele neue Initiativen des Glaubens entstehen, welche Freude bleibt, aber
welche Sammlung es gerade auch unmittelbar auf dem Weltjugendtag gibt, muss ich
sagen: Hier geschieht etwas, was gar nicht wir selbst machen.
In
Australien hatte man mit großen Sicherheitsproblemen, mit Schwierigkeiten, mit
Zusammenstößen gerechnet, mit allem, was bei Massenkundgebungen vorkommt. Man
war sehr beunruhigt und kritisch. Am Schluss war die Polizei begeistert, waren
alle Leute froh, weil es keinerlei Störungen gegeben hatte. Uns hat ganz
einfach die gemeinsame Freude des Glaubens getragen, und es wurde möglich, dass
Hunderttausende schweigend vor dem Sakrament verweilen und dabei eins werden.
Dieses Gesammelte und Fröhliche, die innere Heiterkeit und echte Begegnung, das
Fehlen des Kriminellen - hier geschieht wirklich etwas ganz Erstaunliches,
etwas sehr anderes als bei vergleichbaren Massenveranstaltungen. Und von
Sydney gehen immer noch Wirkungen aus, wie etwa Priesterberufungen. Mit den
Weltjugendtagen ist, glaube ich, etwas gefunden worden, das allen hilft.
Mit bald 20 Auslandsbesuchen, ob
in Polen, in Tschechien, Spanien, Österreich, Australien, Nord- und Südamerika,
Afrika, Portugal, Zypern, Israel, England, sind Sie nun doch auch ein
Reisepapst geworden. Nehmen wir einige Beispiele heraus.
In
Brasilien besuchten Sie soziale Einrichtungen des Landes und nahmen an dem
historischen Treffen von 176 Kardinälen und Bischöfen aus Lateinamerika teil.
Der Glaube an Gott habe in der Begegnung mit den Urvölkern diese Länder mehr
als fünf Jahrhunderte hindurch beseelt und lebendig gemacht, erklärten Sie.
Heute jedoch stehe die katholische Identität seiner Bevölkerung auf dem
Spiel.
In den vergangenen 25 Jahren ging
eine große Veränderung der Religionsgeografie vor sich. In Ländern und
Landesteilen, die zuvor noch bis zu 90 Prozent oder mehr Katholiken hatten, ist
der Anteil auf 60 Prozent gesunken. Es ist eine doppelte Veränderung: zum einen
sind es die evangelikalen Sekten, die die Geografie stark umpflügen - die
ihrerseits wieder sehr instabil sind und auch keine dauerhaften Zugehörigkeiten
schaffen -, auf der anderen Seite ist es der Säkularismus, der durch die
Massenmedien starken Einfluss gewinnt und bewusstseinsverändernd wirkt.
Insofern existiert da wirklich eine kulturelle Krise, die tief reicht. Umso
wichtiger ist es, dass sich der katholische Glaube neu und lebendig darstellt
und sich als Kraft der Einheit, der Solidarität und der Offenheit vom Ewigen
für das Zeitliche wieder neu zu Wort meldet.
Bei Ihrer Reise in die USA stand
insbesondere die Situation nach den Missbrauchs fällen im Vordergrund. Welchen
Eindruck brachten Sie von diesem Besuch mit?
Es hat, glaube ich, auch die
Nichtkatholiken überrascht, dass der Besuch nichts Provozierendes an sich
hatte, sondern die positiven Kräfte des Glaubens erweckt und alle berührt hat,
die da waren. Wohin immer der Papst kam, es waren unzählige Menschen da, und es
herrschte eine ganz unglaubliche katholische Freudigkeit. Ob bei den
großartigen Gottesdiensten - in Washington mit eher moderner Musik, in New York
typisch klassisch -, oder auch in der katholischen Universität, überall gab es
freudige Teilnahme, ein Bewusstsein der Nähe, des Miteinander, das mich sehr
berührt hat. Ich habe dann auch mit Missbrauchsopfern gesprochen und viele
Einrichtungen der Jugendarbeit kennengelernt.
Hat die katholische Kirche in den
USA die Krise schon bewältigt?
Das wäre vielleicht zu viel
gesagt, aber sie weiß zum einen um ihre Gefährdung, ihre Not und die Sünde in
ihr. Das ist sehr wichtig.
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