Benedikt XVI
dass, sagen wir, eine ständige innere Gegenwart und so
eine ganz spezifische Nähe gegeben ist.
Mit Ihrer Afrika-Reise im März
2009 geriet erneut die Aidspolitik des Vatikans ins Visier der Medien. 25 Prozent
aller Aidskranken weltweit werden heute in katholischen Einrichtungen
behandelt. In einigen Ländern, wie etwa Lesotho, sind es weit über 40 Prozent.
Sie erklärten in Afrika, die traditionelle Lehre der Kirche habe sich als
einzig sicherer Weg erwiesen, die Verbreitung von HIV aufzuhalten. Kritiker,
auch aus den Reihen der Kirche, halten dagegen, es sei Wahnsinn, einer
aidsgefährdeten Bevölkerung die Benutzung von Kondomen zu verbieten.
Die Afrika-Reise ist publizistisch
völlig verdrängt worden durch einen einzigen Satz. Man hatte mich gefragt,
warum die katholische Kirche in Sachen Aids eine unrealistische und
wirkungslose Position einnehme. Daraufhin fühlte ich mich nun wirklich
herausgefordert, denn sie tut mehr als alle anderen. Und das behaupte ich auch
weiterhin. Weil sie als einzige Institution ganz nah und ganz konkret bei den
Menschen ist, präventiv, erziehend, helfend, ratend, begleitend. Weil sie so
viele Aidskranke und insbesondere an Aids erkrankte Kinder behandelt wie
niemand sonst. Ich konnte eine dieser Stationen besuchen und mit den Kranken
sprechen.
Das
war die eigentliche Antwort: Die Kirche tut mehr als die anderen, weil sie
nicht nur von der Tribüne der Zeitung aus redet, sondern den Schwestern, den
Brüdern vor Ort hilft. Ich hatte dabei nicht zum Kondomproblem generell
Stellung genommen, sondern, was dann zum großen Ärgernis wurde, nur gesagt: Man
kann das Problem nicht mit der Verteilung von Kondomen lösen. Es muss viel
mehr geschehen. Wir müssen nahe bei den Menschen sein, sie führen, ihnen
helfen; und dies sowohl vor wie nach einer Erkrankung. Tatsächlich ist es ja
so, dass wo immer sie jemand haben will, Kondome auch zur Verfügung stehen.
Aber dies allein löst eben die Frage nicht. Es muss mehr geschehen. Inzwischen
hat sich gerade auch im säkularen Bereich die sogenannte ABC-Theorie
entwickelt, die für "Abstinence - Be faithful - Condom" steht [Enthaltsamkeit
- Treue - Kondom], wobei das Kondom nur als Ausweichpunkt gemeint ist, wenn die
beiden anderen Punkte nicht greifen. Das heißt, die bloße Fixierung auf das
Kondom bedeutet eine Banalisierung der Sexualität, und die ist ja gerade die
gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr
den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge, die sie
sich selbst verabreichen. Deshalb ist auch der Kampf gegen die Banalisierung
der Sexualität ein Teil des Ringens darum, dass Sexualität positiv gewertet
wird und ihre positive Wirkung im Ganzen des Menschseins entfalten kann.
Es mag begründete
Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies
ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann, ein erstes Stück
Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles
gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will. Aber es ist nicht die
eigentliche Art, dem Übel der HIV-Infektion beizukommen. Diese muss wirklich
in der Vermenschlichung der Sexualität liegen.
Heißt das nun, dass die
katholische Kirche gar nicht grundsätzlich gegen die Verwendung von Kondomen
ist?
Sie sieht sie natürlich nicht als
wirkliche und moralische Lösung an. Im einen oder anderen Fall kann es in der
Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein auf
dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität.
Der
Fall Williamson
Vier Jahre lang hatte der Papst,
salopp gesagt, einen guten Job gemacht. Die Gegner waren regelrecht verstummt.
Im Januar 2009 kommt es freilich zu einer Wende, und mit einem Male sind auch
die alten bissigen Stimmen wieder da. Papst Benedikt sei ein eiskalter
Technokrat, hieß es nun wieder in Teilen der Presse. Auslöser ist, wir haben
das anfangs schon angeschnitten, die Rücknahme der Exkommunikation gegenüber
vier Bischöfen der katholischen Piusbruderschaft, die sich unter dem
französischen Erzbischof Lefebvre von Rom getrennt hatte. Die Bruderschaft
umfasst zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben rund 600.000 Gläubige, fast
500 Priester, über 200 Seminaristen, 86 Schulen und zwei Universitäts-Institute.
Vorab:
Mussten Sie nicht auch davon ausgehen, dass Sie für diesen Schritt in der
Öffentlichkeit alles andere als Zustimmung
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