Bennys Blutgericht
mich.
»Ich kenne euch.«
»Ach.«
Wir hörten ihn leise lachen. »Überrascht? Das kann ich mir gut vorstellen. Aber ich liege nicht nur hier auf dem Nagelbrett und trainiere mich, nein, ich weiß auch, was in der Welt vor sich geht. Und London ist nicht die ganze Welt. Ich habe von euch hin und wieder erfahren, so weiß ich genau, wer ihr seid, und es gibt Situationen, in denen selbst jemand wie ich Unterstützung gebrauchen kann.«
»Bist du in Gefahr?« erkundigte sich Suko.
»Nein. Und wenn, dann hätte ich mich aus eigenen Kräften aus dieser Gefahr retten können.«
Das nahmen wir ihm ohne weiteres ab. Er war ein besonderer Mensch in einer besonderen Umgebung, die mir von der normalen Welt draußen getrennt vorkam. Und nicht nur wegen der Wände des Wohnwagens, sondern ganz allgemein. Das hier war eine Insel, die nicht in die normale Welt hineinpaßte.
»Es geht um andere Dinge.«
»Die gefährlich sind.«
»Ja. Oder gefährlich werden können.« Er hatte mich angesprochen und dabei uns beide angeschaut. »Ich habe einem Menschen vertraut, der dieses Vertrauen nicht verdient hat. Ich habe ihn eingeweiht in die Geheimnisse des Voodoo. Ich habe ihm erklärt, was er tun muß und wovon er die Hände lassen soll. Er war ein sehr gelehriger Schüler. Er hat sich alles gut angehört und kam später zu mir zurück, um mir zu zeigen, was er in der Zwischenzeit selbst getan hat. Er brachte mir seine sechs Holzpuppen mit.«
»Voodoo-Puppen?« fragte ich.
»Sollten es werden.«
»Sind sie es geworden?«
Der Mann auf dem Nagelbrett stöhnte leise auf. »Ich befürchte, daß es dazu gekommen ist.« Er räusperte sich. »Es war mein Fehler, das gebe ich zu, aber dieser junge Mann hat mich reingelegt. Er hat sich an mich herangeschlichen. Er hat mir seine lauteren Absichten überzeugend schildern können, so daß ich keinen Grund hatte, Verdacht zu schöpfen. Zunächst nicht, aber das hat sich nun geändert. Ich bin davon überzeugt, einen Fehler begangen zu haben. Einen Fehler, der so groß ist, daß er verschiedenen Menschen das Leben kosten kann.«
»Etwa sechs?«
»Ja. Die Puppen.«
»Wie sahen sie aus?« fragte Suko.
»Alle anders. Es war auch eine Frau dabei. Ich habe den jungen Mann gefragt, was er damit bezweckte, aber ich erhielt eine Antwort, die sehr schwammig war. Er sprach von einem Puppenmuseum, das eine Bekannte eröffnen wollte.«
»Wer war es?«
»Sie heißt Madame Greta.«
Der Name sagte weder Suko noch mir etwas.
»Ich kenne sie auch nicht«, erklärte Calypso. »Er hat sie mir nur beschrieben, aber er muß sie sehr in sein Herz geschlossen haben, denn als er von ihr sprach, da leuchteten seine Augen. Für ihn war sie das größte überhaupt. Sie und ihre Puppen, die Greta so sehr mochte und die auch meinen jungen Freund in den Bann gezogen hatten. Sie sollten ein Geschenk für diese Madame Greta werden. Unterschiedliche Menschen, jede Puppe sah anders aus. Angeblich waren es Bekannte dieser Puppenfrau, aber ich bin davon nicht mehr überzeugt.«
»Dann ist er zu dir gekommen, um sie beschwören zu lassen«, sagte Suko.
»Richtig.«
»Warum?«
»Die Puppen sollten etwas Besonderes sein. Er wollte seiner Freundin den Voodoo-Kult nahebringen. Er wollte ihr etwas über die rätselhafte Magie sagen, die in ihnen steckt und die durch mich transportiert worden ist. Er wollte sie überzeugen, daß Puppen nicht nur Puppen sind, sondern auch etwas anderes sein können. Und das hat er wohl geschafft, denke ich mir.«
»Das könnte ja alles in Ordnung sein.«
»Nein, John Sinclair, das ist es nicht. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß dieser junge Mann nicht reif dafür ist und mit den verzauberten Puppen nur Unsinn anrichten kann und deshalb auch Gefahr bringt. Ich weiß, daß er sie nicht nur für seine Freundin haben will. Das kann sein, muß aber nicht. Sie hat sie ihm hergestellt, denn darin ist sie perfekt. Ich glaube, daß er sie für andere Zwecke mißbrauchen will.«
»Mord?«
»Ja, Suko.«
»Hat er Andeutungen gemacht, die deinen Verdacht bestätigen?«
»Nein, er hat mir nichts dergleichen gesagt. Er nannte mir nicht einmal Namen, denn ich weiß, daß die Puppen Ebenbilder der Menschen sind, die es hier in London tatsächlich gibt. Daß er sie haßt, daß er etwas mit ihnen vorhat.«
»Mord?«
Calypso antwortete zunächst nicht. Er kam uns vor wie jemand, der den Atem anhielt. Es schien ihm nicht zu gefallen, daß ich davon gesprochen hatte, aber er stritt es auch
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