Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
Ich wusste nur, dass er ziemlich süß war und dass er mir etwas schuldete, weil ich ihm aus der Patsche geholfen hatte.
Marcel schaute mir eindringlich in die Augen und auf den Grund meiner Seele. Ich sah hilflos zu, als er sich zu mir herüberbeugte. Oh mein Gott, dachte ich benommen, gleich küsst er mich. Hm, vielleicht wird die Sache hier sehr viel interessanter, als ich jemals gedacht hätte.
Als sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war, schürzte er die Lippen und flüsterte: „ Auf die kürzeste Amtszeit, die ein Tod jemals hatte.“
„Wie bitte?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich gehört hatte, was ich gehört zu haben meinte.
Die einzige Antwort, die ich erhielt, waren Marcels Hände … und die Art und Weise, wie sie sich geübt um meine Kehle schlossen …
23
Ich weiß nicht, ob jemand von euch schon mal richtig gewürgt worden ist, aber ich kann euch sagen, dass es ganz und gar nicht angenehm ist. Es tut verdammt weh, man kann nicht atmen, und man erleidet eine Panikattacke. Es ist wirklich scheußlich.
Ich wollte Marcel einfach nur anschreien, dass er die Hände von meinem Hals nehmen sollte, und ihm dann so fest in die Eier treten, dass er für den Rest seines Lebens mit Fistelstimme sprechen würde. Ich befürchtete eigentlich nicht, hier und jetzt von ihm getötet zu werden, aber ich hatte keine Lust, mich mit einem durch Sauerstoffmangel verursachten Hirnschaden rumzuschlagen.
Das Seltsamste am Gewürgtwerden ist, dass man keine andere Wahl hat, als dem Würgenden in die Augen zu schauen. Ich versuchte, auf seine Nase oder über seine Schulter zu gucken, aber es funktionierte einfach nicht. Ich hing fest. Ich musste ihm tief in die Augen schauen, wobei ich mich die ganze Zeit fragte, warum zum Henker er mich unbedingt „umbringen“ wollte. Offenbar hatte er keine Ahnung, dass meine familiären Beziehungen mich unsterblich machten – immerhin war mein Vater der Tod – und dass er mich vielleicht bewusstlos würgen, nicht aber endgültig beseitigen konnte.
Während ich in Marcels geweitete Pupillen starrte, dachte ich unwillkürlich darüber nach, warum manche Leute überhaupt andere Menschen töten wollten. Mir war klar, dass der Tod ein natürlicher Bestandteil des Lebens ist, doch ein Mord war in meinen Augen unvereinbar mit dieser Beziehung. Mord erschien mir wie die Antithese der natürlichen Ordnung. Menschen und andere Geschöpfe, die ihren Mitlebewesen vorsätzlich ihren einzigen echten Besitz nahmen – ihr Leben – und ihn verschwendeten? Das schien mir nicht gerade eine Handlungsweise zu sein, die Mutter Natur gutheißen würde. Zu töten, um zu essen, war in den Augen der guten, alten Mutter Natur total in Ordnung, aber aus Spaß oder Gewinnsucht zu töten – das leuchtete mir einfach nicht ein.
Als der Druck auf meine Luftröhre sich verstärkte, spürte ich, wie die Lebenskraft aus mir wich, und obwohl ich deshalb -noch – keine Angst hatte, war es kein besonders tolles Gefühl. Ich wollte wissen, warum Marcel mir das antat, doch da ich zum Sprechen dummerweise meinen Kehlkopf brauchte, wusste ich mir nicht zu helfen. Das Einzige, was ich tun konnte, war, kehlige, gurgelnde Laute von mir zu geben und rot anzulaufen.
Das gab nicht gerade ein vorteilhaftes Bild von mir ab.
Mit einem Mal lockerte sich der Druck auf meine Kehle, und ich konnte wieder atmen. Ich schaute an Marcels Kopf vorbei und sah, dass Daniel über uns kauerte und den Kelch fest umklammert hielt, bereit, ihn zum offenbar zweiten Mal auf Marcels Hinterkopf niedersausen zu lassen. Sein Gesicht war aschfahl, und aus seinen Lippen war das Blut gewichen, doch in seinen Augen glitzerte eine Entschlossenheit, die mir Angst gemacht hätte, hätte sie sich nicht gegen meinen Angreifer gerichtet.
„Lass sie los“, knurrte er und hieb Marcel den Kelch gegen die Schläfe. Marcel verdrehte die Augen, verlor direkt auf mir das Bewusstsein und nagelte mich mit seinem ganzen Gewicht am Boden fest. Ich schaute hilfesuchend zu Daniel, doch der war wieder ohnmächtig geworden und lag mit dem Kopf ein paar Zentimeter vom Wasser entfernt.
Mist, dachte ich, wie kriege ich ohne Daniels Hilfe diesen schwachsinnigen Marcel von mir runter?
Ich setzte jedes bisschen Kraft in meinem Körper ein und stemmte mich gegen das tote Gewicht auf mir. Marcel bewegte sich kein Stück.
„Daniel, ich könnte hier etwas Hilfe brauchen“, krächzte ich, doch mein Retter war nicht wach zu
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