Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
Existenz nachzudenken, der Macht nachzuspüren, die durch mich rann, und zu wissen, dass ich sie mir jederzeit zu Diensten machen konnte.
„Du lebst“, sagte eine matte Stimme. Ich wandte den Kopf und sah Marcel, der sich aufgesetzt hatte und sich mit einem schmerzverzerrten Ausdruck auf dem hübschen Gesicht den Hinterkopf rieb. „Ich habe dich also doch nicht getötet.“
Intellektuell wusste ich, dass ich mich vor dem Kerl hätte fürchten sollen. Angesichts des Umstands, dass er mich zu töten versucht hatte, hätte ich normalerweise schnellstens etwa hundert Millionen Kilometer zwischen ihn und mich gebracht, doch jetzt regte mich das irgendwie nicht mehr besonders auf.
„Nee“, sagte ich. „Du hast mich nicht getötet.“
„Verdammt, du hast das Wasser getrunken, hab ich recht?“ Er schüttelte traurig den Kopf. Es war eher eine Feststellung als eine Frage … oder vielleicht war es ein Urteil.
„Ich habe das Wasser getrunken“, bestätigte ich ruhig. „Ich bin jetzt der Tod, nicht du.“
Er schaute mich komisch an, erwiderte aber nichts. Eine ganze Weile saßen wir so da, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, bis ich schließlich sagte: „Wer bist du eigentlich?“
Er grinste mich schief an – seine Zähne waren nach wie vor glänzend weiß. „Das weißt du wirklich nicht, oder?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ach, welche Ironie …“ Seine Worte verloren sich in einem freudlosen Lachen.
Sein Tonfall machte mich irgendwie sauer. Himmel, ich kriegte schließlich nicht jedes Mal eine E-Mail, wenn ein neuer Ergänzungsband zur Enzyklopädie übernatürlicher Wesen erschien. Wie zum Henker sollte ich über all diese nicht menschlichen Angelegenheiten Bescheid wissen, wenn ich praktisch eine halbe Ewigkeit lang in der Menschenwelt gelebt hatte?
„Ich bin die zweihundertfünfte Inkarnation des Yamatanka“, sagte Marcel und unterbrach so meine Gedanken. Er streckte mir die Hand entgegen, doch ich schaute sie nur an, anstatt sie zu ergreifen. Auf gar keinen Fall würde ich den Kerl anfassen. Ich konnte die negativen Energien, die er in meine Richtung sandte, förmlich spüren. Marcel schnaubte und ließ die Hand sinken … und mit ihr jeden Anschein, freundschaftliche Bekanntschaft mit mir schließen zu wollen.
„Aber du, Calliope Reaper-Jones? Du darfst mich mit meinem weniger bekannten Beinamen ansprechen … der da lautet: der, der dem Tod das Ende bringt.“
„Nein, ehrlich? Der dem Tod das Ende bringt?“, fragte ich laut. „Das soll wohl ein Witz sein, oder?“
Marcel schüttelte bestimmt den Kopf.
„Ich versichere dir, dass ich mich nicht über dich lustig mache. Ich bin wirklich die zweihundertfünfte Inkarnation von Yamatanka, demjenigen, der dem Tod das Ende bringt.“
Ich kicherte, worauf Marcel beleidigt dreinschaute.
„Entschuldigung, aber hast du auch nur die geringste Ahnung, mit wem du es zu tun hast …“, setzte er an, doch ich unterbrach ihn.
„Das ist ja schrecklich“, kicherte ich, als ich endlich begriff, was er mit „welche Ironie“ gemeint hatte. Hier stand ich also von Angesicht zu Angesicht dem einzigen Geschöpf gegenüber, das mich vernichten konnte, und ausgerechnet es hatte mir letztlich dazu verholfen, der Tod zu werden – es war zum Schreien komisch!
Plötzlich kam mir ein Gedanke:
„He, du hast auch das Wasser getrunken! Wie kann der, der dem Tod das Ende bringt, das dürfen? Wärst du damit nicht sozusagen gleichzeitig der Tod und sein totales Gegenteil?“
Er schüttelte den Kopf. „So funktioniert das nicht. Ich stand unter einem Zauber, den nur mein Todfeind brechen konnte. Du musstest mir – aus freien Stücken – das Wasser geben, das dir deine Macht verleiht, damit mein Fluch gebrochen wurde“, erklärte Marcel erschöpft.
„Aber warum ich?“, fragte ich.
„Der Tod ist dein Geburtsrecht.“
„Aber was ist mit ihm?“ Ich zeigte auf Daniel, der im Sand lag und friedlich schnarchte. „Du hast erzählt, dass das Wasser ihn heilen würde, und er hat auch ein Anrecht auf den Tod. Der Teufel behauptet zumindest, dass Daniel der nächste Anwärter auf die Stelle ist. Warum solltest du also auch nur einen von uns beiden in die Nähe dieses blöden Sees lassen?“
Das Verrückte daran war, dass ich Daniel das Wasser wirklich zuerst gegeben hätte, wenn ich dazu gekommen wäre, und dann hätte Marcel es mit ihm statt mit mir zu tun gehabt.
Moment mal, sagte ich mir. Das ist es. Dann hätte Marcel es jetzt mit ihm zu
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