Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
nickte. „Wir brauchen nur ein bisschen Meeresschaum, dann verschwinden wir wieder …“
Weniger als zwei Sekunden, nachdem diese Worte meinen Mund verlassen hatten, brach die Hölle los.
Plötzlich nahm eine Wolke aus Grellrosa, Orange und Schwarz mir die Sicht, und ich spürte einen schmerzhaften Schlag in den Magen, dem eine Welle so heftiger Übelkeit folgte, dass ich fürchtete, gleich meine Bauchspeicheldrüse zu erbrechen. Ich ging auf die Knie und schlang die Arme um den Unterleib, um ihn vor weiteren bösartigen Attacken seitens meiner ausgesprochen flinken Gopi-Angreiferin zu schützen.
Dunkelheit kroch vom Rand meines Gesichtsfeldes heran, und ich hatte ernsthafte Schwierigkeiten, auch nur Luft zu holen. Schon gar nicht war ich dazu in der Lage, mich aufzurichten und zu verteidigen. Der Schmerz in meinem Unterleib war schlimmer als tausend aufgeplatzte Lippen. So fühlte es sich wahrscheinlich an, wenn einem ohne Betäubung der Bauch zugenäht wurde.
Ich hob den Kopf, und mein Blick traf den der Gopi, die vor mir aufragte, das Gesicht zu einer finsteren Grimasse verzogen. Mein Brustkorb hob und senkte sich hilflos, und ich merkte, dass ich zu hyperventilieren begann. Mein Körper, dieser Verräter, kapitulierte einfach und überließ sich in einem billigen Versuch, dem Schmerz zu entkommen, der Bewusstlosigkeit!
Nicht, solange ich hier das Sagen habe, dachte ich und überlegte, was ich es anstellen konnte, bei Bewusstsein zu bleiben. Das Einzige, was mir einfiel, war, den Kopf zwischen die Beine zu nehmen, aber das würde bestimmt einen Gopi-Todesstoß in den Nacken herausfordern.
Wahrscheinlich hatte die Gopi gemerkt, in welchem Zustand ich mich befand, denn ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, warf sie sich auf meinen Rücken. Ihre manikürten Finger tasteten hektisch nach meinem Hals, während sich ihre Beine um meinen Unterleib schlangen, um mein Frühstück aus mir herauszuquetschen – das, abgesehen von dem Zwischenstopp bei Starbucks, meine einzige Mahlzeit heute gewesen war.
Dann fand ihr sorgfältig platzierter Daumen meine Kehle, und als mein sauerstoffunterversorgtes Gehirn langsam im Dunkel versank, trieb plötzlich eine wunderschöne Erinnerung an die Oberfläche meines Bewusstseins. Genau genommen handelte es sich um eine meiner absoluten Lieblingserinnerungen, die mir selbst jetzt beinahe ein Lächeln entlockte.
Wie eine Fata Morgana sah ich vor meinem inneren Auge einen Wald von Wolkenkratzern tanzen, der mich heimwärts lockte. Als hätte ein Blitz in meinem Gehirn eingeschlagen, erinnerte ich mich plötzlich daran, warum es so ungeheuer wichtig war, dass ich den Würgegriff der Gopi brach. Und glaubt mir, es hatte nicht das Geringste mit Meeresschaum zu tun oder damit, die Leitung der Jenseits GmbH zu übernehmen … oder auch nur damit, meine Familie zu retten.
Es war ein weit einfacherer – und selbstsüchtigerer – Gedanke, der mir schließlich die Kraft gab, mich gegen meine Gopi-Angreiferin zur Wehr zu sehen.
Er ließ sich in sechs kleinen Worten zusammenfassen:
Mein altes Leben wartete auf mich.
15
Als ich nach New York City zog, konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, in einem Wald von Wolkenkratzern zu leben.
In jenem Hochsommer, als die Stadt feuchtheißer war als eine russische Sauna und der Schweiß mir aus allen Poren rann wie ätzende Batterieflüssigkeit, streifte ich stundenlang durch Midtown und verlor mich im Menschengewimmel. Immer wieder zogen die prachtvollen Chrom- und Glaspaläste links und rechts des Gehsteigs meinen Blick magnetisch an.
Als ich zwischen diesen Gebäuden herumspazierte, fühlte ich mich wie in einem New Yorker American-Express-Werbespot: Flug zum JFK-Flughafen: dreihundertfünfzig Dollar; Taxifahrt nach Midtown: fünfundfünfzig Dollar; Hotdog und Mineralwasser vom Imbiss: vier Dollar fünfzig … das Gefühl, zum ersten Mal in seinem Leben zu Hause zu sein: unbezahlbar.
Wenn ich an den schweren Betonfundamenten der Wolkenkratzer stand und mein Blick sich zu ihren Spitzen hob, stellte ich mir immer vor, dass es sich bei ihnen in Wirklichkeit um riesige Wächter handelte, die die Stadt und ihre Bewohner vor irgendetwas beschützten – vor was, wusste ich nicht so recht. Vielleicht vor einem Angriff von Godzilla und Mothra oder nur vor einem ganz normalen Taubenaufstand. Für mich war die Hauptsache, dass das Leben in ihrem gewaltigen Schatten mir ein Gefühl von Wärme und Sicherheit gab.
Bisher hatte ich immer
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