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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Ich glaube fest an sie. Aber ich mache mir Sorgen, ob ›Jaques‹ seine Rolle richtig spielt – denn von ihm hängt der Erfolg des Plans ab.«
    Chaucer kicherte. »Da kann man sich auch Sorgen machen, wenn man sich auf einen Mann mit einer jungen, saftigen Frau verlassen muß, die ihn von seinen Aufgaben ablenkt.«
    Alejandro zügelte demonstrativ sein Pferd. »Frau?« flüsterte, ja zischte er fast. »Ich weiß von keiner Frau.«
    »Sein Onkel auch nicht«, vertraute Chaucer ihm an. »Er hat es vor ihm geheimgehalten, obwohl ich keinen Grund dazu erkennen kann. Ich habe sie gesehen, als ich Eure Nachricht überbrachte. Sie ist eine hübsche junge Maid mit goldenem Haar und veilchenblauen Augen; für einen Moment dachte ich, sie sei das Abbild meines Herrn Lionel. Das habe ich ihr auch gesagt, als wir miteinander sprachen, und sie schien etwas betroffen.«
    Alejandros Pferd stand nun beinahe still; Chaucer schob sich ein wenig vor ihn, wider besseres Wissen, aber er wollte nicht die Aufmerksamkeit der Wachen erregen. »Laßt Euer Reittier nicht so langsam gehen, Doktor, sonst ruiniert Ihr alles; reitet ein wenig schneller und mir voran, wie vereinbart!«
    Trotz seiner plötzlichen Verwirrung gelang es Alejandro, den Rat zu befolgen, und binnen eines Augenblicks ritt er wieder ein Stückchen vor dem Pagen her. Er hörte den Jungen leise sagen:
    »Der Treffpunkt befindet sich direkt vor uns, hinter dieser Ecke.«
    Alejandro vergaß seine Unruhe und schaute nach vorn; im Gewimmel der Menschen sah er mehrere Männer, die Karle hätten sein können. Aber es war unmöglich, ihn auszumachen. Er würde einfach warten müssen, bis Karle sich selbst zu erkennen gab, und dann so schnell wie möglich reagieren. Das Blut strömte schneller durch seine Adern, und auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Hektisch musterte er das Treiben ringsum. Das Geräusch menschlicher Stimmen, Hufgeklapper auf dem Pflaster, das Gackern von Hühnern, Hundegebell – plötzlich verschwamm alles zu einem einzigen Gelärme, und nur, weil er schrie, hörte er Karles Ruf: »Alejandro!«
    Er wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sah einen Krüppel, der von Kopf bis Fuß in Verbände gehüllt war, mit einer weiß eingewickelten Krücke winken. Doch binnen ein oder zwei Sekunden war der Gegenstand ausgewickelt und hatte sich in ein Schwert verwandelt. Gleichzeitig packte Karle die Zügel seines Pferdes und zog ihn durch die Menge, schob die Menschen beiseite und schwang das Schwert über seinem Kopf wie der Teufel persönlich.
    Chaucer setzte sein Pferd quer vor die Wachen und versuchte, so verwirrt dreinzuschauen wie möglich. Wirksam versperrte er ihnen mit seinem nervös tänzelnden Reittier den Weg, bis sich schließlich einer der Aufpasser an ihm vorbeidrängte und durch die kreischende Menge Alejandro nachjagte. »Entführung!« schrie der Wachmann. »Entführung! Haltet sie auf … «
    Er kam nahe genug an Alejandro heran, um dessen Satteltasche zu erwischen, und für ein oder zwei Momente schien Alejandros Pferd zwischen dem von vorne ziehenden Karle und dem von hinten zerrenden Wachmann stillzustehen. Endlich schrie Karle:
    »Macht die Tasche los!«
    Alejandro starrte ihn an. Er drehte sich um und sah nach dem Verfolger, der mit seiner freien Hand den Griff seines Schwertes ertastete.
    Es war eine schmerzliche Entscheidung, aber letzten Endes eine klare. Es ging um Leben oder Lernen. Er entschied sich für das Überleben. Mit einem raschen Zug an dem Lederriemen, der sie hielt, löste er die Satteltasche mit dem kostbaren Inhalt aus ihrer Befestigung. Er und Karle stürzten vorwärts, der Wächter, die Tasche umklammernd, blieb zurück, und die Menge schloß sich um ihn.

    Karle zog das scheuende Roß durch enge Hintergassen und Seitenstraßen; alle, die sie sahen, wunderten sich über den Anblick des Krüppels in zerlumpten Verbänden, der vor einem Pferd herrannte, auf dem ein Mann im traditionellen Gewand des Heilers saß. Als Alejandro klar wurde, warum die Leute so starrten, warf er den Umhang ab, der nur auf sie aufmerksam machte und ihr Fortkommen behinderte.
    Endlich verlangsamte Karle keuchend seine Schritte. Er sah sich um und schnaufte: »Gleich um die Ecke!« Alejandro nickte. Und tatsächlich, kurz darauf öffnete Karle ein hölzernes Tor und führte das Pferd in den Hof eines Hauses, dessen Besitzer in den Krieg gezogen war und seine Familie klugerweise zu ihrem Schutz in den Süden geschickt hatte.

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