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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Freude« sei die zutreffendste Beschreibung dafür, die er je finden würde. Die hilflose Freude wohnte in seinem Herzen, seit er sich vor zehn Jahren plötzlich gezwungen sah, dieses Kind großzuziehen; inzwischen war sie gewachsen, als er feststellte, daß er trotz seiner beträchtlichen Gelehrsamkeit nicht besser auf diese Aufgabe vorbereitet war als ein ungebildeter Mensch. Obwohl manch einer einfach zu wissen schien, was und wann zu tun war, gehörte er selbst nicht zu denen, die ein Kind mit angeborenem Instinkt behandelten. Er hielt es für einen grausamen Streich Gottes, daß der schwarze Tod so viele Mütter dahinraffte – zusammen mit den Ärzten hatten sie sich abgemüht, ihren sterbenden Ehemännern und Kindern beizustehen; zuletzt waren sie dann wegen ihrer Nähe zu den Kranken in schrecklich großer Zahl selbst gestorben. Das Sterben von Müttern und Ärzten tat Alejandro in der Seele weh; doch was die Priester betraf, wünschte er sich beinahe, die Pest hätte mehr von ihnen dahingerafft. Die Überlebenden aus ihren Reihen waren diejenigen, die sich zu ihrem eigenen Schutz von der Welt abgesondert hatten, während ihre Brüder im Dienst am Nächsten umkamen. Er betrachtete diese Heuchler unter den Klerikalen als einen abgrundtief niederträchtigen Haufen.
    Alejandro hatte das Mädchen nach besten Kräften allein großgezogen, ohne Ehefrau; denn er wollte die Erinnerung an die Frau, die er in England geliebt hatte, nicht durch eine reine Zweckheirat besudeln. Und Kate fiel es nicht ein, sich über die fehlende Mutter zu beklagen. Sie hatte die Schwelle der Weiblichkeit mit ungewöhnlicher Anmut erreicht und schickte sich nun an, sie zu überschreiten. Als mutterloses Mündel eines jüdischen Renegaten war sie durch irgendein unerhörtes Wunder zu einem anbetungswürdigen Geschöpf herangewachsen.
    Und dieses liebliche Wesen sprach jetzt: » Père, ich bitte Euch, folgt Eurer eigenen Weisheit. Legt Euch schlafen. Sonst werde ich das Lesen für Euch übernehmen müssen, wenn Ihr ein alter Mann seid.«
    Das zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. »Möge Gott in Seiner Weisheit dafür sorgen, daß ich das dann auch noch erleben darf. Und du bei mir weilst.« Sorgfältig schloß er die Handschrift. »Aber du hast recht. Ich sollte mich ausruhen. Auf einmal kommt mir das Stroh schrecklich einladend vor.«
    Es klopfte an der Tür.
    Beide wandten sich gleichzeitig nach dem ungewöhnlichen Geräusch um, und Kates Stimme in der Dunkelheit war ein erschrockenes Wispern: » Père? Wer … «
    » Psst, Kind … sei still«, hauchte er zurück. Erstarrt saß er auf seinem Stuhl. Das Licht der Kerze flackerte jedoch weiter.
    Wieder klopfte es, und dann ertönte die kräftige Stimme eines Mannes. »Ich bitte Euch, ich brauche jemand, der heilkundig ist … der Apotheker hat mich geschickt.«
    Alejandro warf Kate, die zitternd auf ihrem Strohlager saß und sich die wollene Decke schützend bis zum Hals hochgezogen hatte, einen furchtsamen Blick zu. Er beugte sich in ihre Richtung: »Woher weiß er, daß ich ein Heiler bin?«
    »Vielleicht denkt er, daß ich die Heilerin bin!«
    » Was? Was ist denn das für ein Unsinn?«
    » Irgend etwas mußte ich dem Apotheker doch sagen, Père « , flüsterte sie zurück, und ihre Stimme klang fast verzweifelt. »Der Mann war ungeheuer neugierig und wollte gar nicht aufhören mit Fragen! Übrigens ist es kein Unsinn. Ihr selbst habt mich in den Heilkünsten unterwiesen. Um ihn zufriedenzustellen, habe ich ihm gesagt, daß ich …«
    » Hebamme! « kam die drängende Bitte von der anderen Seite der Tür. »Bitte, ich flehe Euch an, öffnet die Tür! Eure Hilfe wird nötig gebraucht!«
    Am liebsten hätte Alejandro ihr einen väterlich konsternierten Blick zugeworfen, ihr mit dem erhobenen Finger gedroht, niemals wieder dürfe sie so viel von sich geben. Aber ein Fremder stand vor der Tür. »Warum hast du mir das nicht früher erzählt?« fragte er unterdrückt.
    Sie beeilte sich, es ihm zu erklären. »Es schien nicht notwendig, Père – als der Apotheker fragte, warum ich die Kräuter haben wollte, nach denen Ihr mich geschickt hattet, stellte ich mich als Schülerin der Heilkünste vor! Das war der Grund, warum er mir das Buch zeigte. Ich schwöre, von Euch habe ich nichts gesagt.«
    Er sah Angst in ihren Augen und begriff, daß sie sich vor ihm fürchtete. Das war eine beklagenswerte Erkenntnis, die ihn mit Scham erfüllte. Sie hatte versucht, ihn vor Entdeckung zu schützen

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